Die Leibwächterin (German Edition)
Teil unserer Möbel behalten. Ich hatte keine Lust, mich darum zu streiten, denn er hat mir gedroht, sich an die Klatschblätter zu wenden, wenn ich nicht tue, was er will.»
«Ein netter Zeitgenosse», sagte ich, war mir allerdings nicht sicher, ob Helena Lehmusvuo es gehört hatte. Sie kam mit einem Tablett herein, auf dem eine Teekanne, ein Glas Biohonig, zwei Tassen und ein Teller Muffins standen.
«Aus Dinkel, Tofu und Bio-Äpfeln, probier mal. Meine Assistentin Saara ist eine begeisterte Bäckerin und experimentiert gern mit neuen Rezepten. Ohne sie würde ich nur halb so gesund leben.»
Helena Lehmusvuo war eine zierliche, zartgliedrige Frau, deren Augen für das schmale Gesicht zu groß wirkten. Auf den Fotos sah sie aus wie das blühende Leben, doch von Nahem waren die Falten und Schatten in ihrem Gesicht deutlich zu erkennen. Es war das Gesicht eines gequälten Menschen. Wir setzten uns beide auf das Sofa, denn es gab keine andere Sitzgelegenheit. Sie zog einen der Bücherstapel zu sich heran und benutzte ihn als Ablage; den kleinen Sofatisch schob sie mir zu.
«Du warst also Anita Nuutinens Leibwächterin. Hat sie dich engagiert, weil sie bedroht wurde?»
«Sie fühlte sich nicht mehr sicher, wenn sie allein nach Russland reiste.»
«Hatte sie vor ihrem Tod Drohungen erhalten?»
Mir war nicht klar, woher sie das Recht nahm, mich auszufragen. Ich versuchte mich zu erinnern, ob Anita sie je erwähnt hatte. Politisch gehörten die beiden Frauen gegensätzlichen Lagern an, das Einzige, was sie zu verbinden schien, war das Interesse für Russland und die Russen. Doch Anita hatte mit Russen Geschäfte gemacht, um sich zu bereichern, während Helena Lehmusvuo sich für die inneren Angelegenheiten des Landes interessierte.
«Anita hatte Feinde. Sie war mindestens einem einflussreichen Herrn auf die Füße getreten.»
«Als Abgeordnete muss man sich an Pöbeleien, Beleidigungen und sogar Morddrohungen gewöhnen. Alle strafrechtlich relevanten Drohungen leite ich sowohl an den Sicherheitschef des Parlaments als auch an die Polizei weiter. Vor der Öffentlichkeit werden diese Dinge geheim gehalten, um nicht noch weitere Spinner anzustacheln. Copy-Cats gibt es genug. Besonders großen Ärger habe ich mir mit der Rede eingehandelt, die ich im letzten Frühjahr auf der Tagung der finnisch-russischen Handelskammer gehalten habe. Die einen schäumten vor Wut, weil ich den Ansturm der russischen Käufer auf den finnischen Ferienhausmarkt nicht kategorisch verurteilt habe, manche Anhänger meiner eigenen Partei wiederum nahmen es mir übel, dass ich das Zweitwohnungssystem als solches nicht schärfer kritisiert habe. Andererseits wurde mir auch vorgeworfen, ich würde den Russenhass schüren. Das Merkwürdigste daran ist, dass sämtliche Vorwürfe von Finnen kamen.»
Lehmusvuo brach ein Stück von ihrem Muffin ab und steckte es in den Mund. Ich goss mir Tee nach. Politiker sind Freiwild, sie haben sich ihre Arbeit ja selbst ausgesucht. Man hat noch keinen ins Parlament gezwungen. Das hatte Onkel Jari immer gesagt, und er stand mit seiner Meinung nicht allein.
«Die meisten, die mir Russenhass vorwarfen, haben über denselben Server geschrieben. Das beweist natürlich nichts. Aber in den letzten Tagen, das heißt also nach dem Mord an Anita Nuutinen, sind wieder Drohungen eingegangen. Seltsam, nicht wahr? Wenn Anita einem Raubmord zum Opfer gefallen ist und der Täter ein obdachloser Alkoholiker war, sollte sich doch niemand veranlasst fühlen, diejenigen zu bedrohen, die Anitas Immobiliengeschäfte in Kotka unter die Lupe nehmen.»
«In Kotka? Was bedeutet das?» Laitio hatte mir erzählt, dass Anita und Paskewitsch um den Kauf eines Grundstücks konkurriert hatten, und ich war ja auch selbst mit Anita dort gewesen. Und – beinahe hätte ich mich am Tee verschluckt – David Stahl hatte mir berichtet, er sei vor einigen Wochen mit seinem Auftraggeber nach Kotka gefahren. Offenbar also mit unserem gemeinsamen Freund Walentin P.
«Wenn ich nur wüsste, was hinter dieser Sache in Kotka steckt. Dort steht ein dreißig Hektar großes Grundstück am Meer zum Verkauf, das den Erben einer gewissen Hagar Julin gehört. Dem Makler zufolge liegen mehrere Kaufangebote vor.»
«Soweit ich weiß, war darunter auch Anitas Offerte. Die verfällt natürlich jetzt, denn die Zukunft ihrer Immobilienfirma ist ungewiss. Ihre Tochter kommt erst nächste Woche nach Finnland. Wir haben noch nicht ausgemacht, wann wir uns
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