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Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)

Titel: Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Demant
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von ihr. Die Verabredung mit Andrea Hampel hatte er völlig verdrängt. Die würde sich schon wieder ins Bewußtsein drängen, wenn sie aktuell wurde.
    Endlich, am Nachmittag des nächsten Tages meldete sie sich. Abermals bekam Herr Schweitzer zu hören, sein Gedächtnis ließe in letzter Zeit gar arg zu wünschen übrig. Sie, Maria, habe ihm doch mehrfach gesagt, sie weile zwei Nächte einer Ausstellung wegen in Tunis.
    „Ja natürlich, ist mir nur vorübergehend entfallen“, hatte Herr Schweitzer wie der geölte Blitz entgegnet, obwohl er sich nicht mal entfernt an eine derartige Äußerung seiner Liebsten erinnern konnte. Demnächst werde ich wohl noch im Personalausweis nachschauen, wie ich heiße, befürchtete er. Und schob brummend nach: „Wenn ich nicht vergessen habe, wo ich ihn aufbewahre.“ Obwohl Altwerden die einzige Gerechtigkeit auf dieser Welt ist, so fürchtete er sich vor dessen Auswirkungen, die ihn nun immer öfter befielen. Den Zusammenhang zwischen gesundem Körper und ebensolchem Geist kannte er, und so kam es, daß er in einer veritablen Emotionsentladung auf den Tisch schlug, um seinen Willen Ausdruck zu verleihen, fortan viel mehr auf seine Gesundheit zu achten. Zur Verabschiedung des § 1a seines neuen Grundgesetzes bereitete er sich einen riesigen Obstsalat zu, doch das teuflische Knurren seines Magens war nach dem Verzehr nur schwach abgeklungen. Saftige Wiener Schnitzel, würzige Gulaschsuppen und Rippchen mit Kraut spukten in seinem Kopf und ließen nicht locker. Für den Abend hatte er sich mit Maria im Weinfaß verabredet. Die Abneigung gegen alles Alkoholische hatte sich verflüchtigt, lediglich Schnaps rief noch ein leichtes Würgen hervor.
    Bevor er seine Wohnung im Mittleren Hasenpfad verließ, stopfte er sich noch zwei Bananen und eine trockene Scheibe Vollkornbrot hinein. Damit hoffte er, über die Runden zu kommen.
    Im Weinfaß ging’s zu wie im Taubenschlag. Viele der Stammgäste waren zugegen. René, der Wirt vom Frühzecher, Karin und Weizenwetter, die, das hatte Herr Schweitzer neulich erst über ein paar Ecken erfahren, mit Hochzeitsplänen beschäftigt waren, und sogar Buddha Semmler, Sachsenhausens schrulligster Apfelweinkellner, hatten sich ein Stelldichein gegeben. Nur peripher, obwohl er es besser hätte wissen müssen, nahm Herr Schweitzer ein Grinsen auf den Gesichtern wahr, als er sich dem Tresen näherte, wo die Bagage rumhing. Ohne danach gefragt worden zu sein, stellte Bertha, die rustikale Wirtin, ein großes Bier vor seine Nase. Irgendwann im Sommer war er aus einer Laune heraus von Wein auf Gerstensaft umgestiegen.
    „Nee danke, ich trinke heute einen tiefen Sauergespritzten“, wehrte er gekonnt die Kalorienbombe ab. Wenn schon Promille, dachte er, dann bitteschön des Frankfurters Lieblingsgesöff. Das sei astralen Traumfiguren nicht so sehr im Wege, zumal tiefgespritzt, was bedeutete, der Apfelwein war zur Hälfte mit Mineralwasser gemischt. Oder gepanscht, wie Puristen sagen würden.
    Kopfschüttelnd trank die Wirtin das Bier, das für Herrn Schweitzer bestimmt war, aus. Selbst dran schuld, schien sie damit ausdrücken zu wollen. Die nächsten fünfzehn Minuten verliefen nachgerade wie üblich. Bis Herr Schweitzer auf Toilette mußte.
    Da stand er nun, pinkelte und betrachtete versunken das mit Reißzwecken über die Urinale gepinnte bunte Poster, ohne die Botschaft aufzunehmen. So, wie Menschen zuweilen ihren Blick in die Ferne schweifen lassen, während sie ihren Gedanken nachhängen. Die harmonisch von Meisterhand aufeinander abgestimmten Farben waren das erste, was tiefer in sein Bewußtsein drang. Als er sich, noch bevor er den Latz schloß, abschüttelte, sandte sein Kleinhirn die Information aus, daß das bunte Ding vor ihm neu sein mußte. Im Weinfaß hingen sonst nie Plakate, schon gar nicht auf der Toilette. Das einzige, was hier zu hängen hatte, war der Seifenspender. Doch noch war Herr Schweitzer innerlich mit Maria beschäftigt, die in der Zeit, in der er hier war, noch keinerlei Signale ausgesandt hatte, ob sie heute nacht Wert auf ein intimes Beieinandersein mit ihm, Herrn Schweitzer, legte. In diesen Dingen war seine Freundin in der Regel sehr direkt. Vage beschlich ihn der Verdacht, sie verheimliche ihm etwas. Außer der Begrüßung hatten sie kaum ein Wort miteinander gewechselt. Stattdessen hatte sie sich längere Zeit mit ihrer Freundin Karin, die neuerdings die Haare kurz trug, unterhalten. Dabei hätte Herr Schweitzer gerne in

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