Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
paar weniger.“
Buah, dachte Herr Schweitzer, das macht, je eins für die Damen- und Herrentoilette, zwölf Sachsenhäuser Gaststätten, in denen sein klitzekleiner Fauxpas nun einer breiten Öffentlichkeit bekannt gegeben wurde. Das letzte hing bestimmt bei Maria oben auf dem Lerchesberg. Wenn er, Herr Schweitzer, nicht so verdammt abgebrüht wäre, könnte er sich bald nirgendwo mehr blicken lassen.
„Und die wissen alle Bescheid?“ fragte er, nur um sich im selben Moment bewußt zu werden, daß es gar nicht anders sein konnte. Wieso sollten die Wirte sonst ein McDonald-Plakat aufhängen, ein so abwegiges obendrein? Kein Mensch ißt belegte Brettchen außer ... Dieses Mal war es an Herrn Schweitzer, den erneuten kollektiven Lachanfall einzuläuten. Zwischendurch, als er ein wenig Luft bekam, warf er ein: „Ich hab’s zumindest versucht.“
„Ja, das hast du“, sagte Bertha. „Wenigstens ist dein Zahnarzt gut.“
Als Maria und er das Weinfaß am Ziegelhüttenplatz schräg gegenüber vom Obi-Baumarkt verließen, wurden sie von der nachtaktiven Trinkersonne begleitet. Obschon Herrn Schweitzers Domizil verwaist war, liefen sie noch die halbe Stunde zu Marias Bungalow hinauf, wo sie auch ihr Atelier hatte.
In ihrem Wohnzimmer nahmen sie noch einen Schlummertrunk, bevor Maria das Feuer der Leidenschaft schürte. Es war sehr spät, als die beiden endlich einschliefen. So, wie ihre Beziehung lief, hatte es den Anschein, als würden sie bis zur Kukident-Phase zusammenbleiben.
Was ihn am nächsten Morgen, wenn man halb zwölf dazuzählen wollte, aus dem Spiegel entgegensah, war Herr Schweitzer at his best. Ein Womanizer sozusagen. Darüber gingen die Meinungen natürlich auseinander, aber Hauptsache, er selbst sah es so. Jetzt galt es nur noch, den Termin mit Andrea Hampel gut über die Bühne zu bringen, dann konnte er in seinem gewohnten, über die Jahre liebgewonnenen Trott weiterleben. Ein wenig graute ihm davor.
In der Küche war noch heißer Kaffee. Er bediente sich. Draußen schien die Sonne durch das Panoramafenster des Wohnzimmers und versprach einen weiteren angenehmen Tag. Aus der Garage hört er Klopfgeräusche, was hieß, daß Maria bereits an der letztes Jahr begonnenen und wegen unzähliger anderer Projekte immer wieder unterbrochenen Arbeit an der Skulptur aus Carrara-Marmor Hand angelegt hatte. Seine Freundin war viel fleißiger als er, mußte Herr Schweitzer unumwunden zugeben. Schon vor ein paar Jahren hatte er seinen Broterwerb als Straßenbahnschaffner mit Pensionsanspruch eingestellt. Eine Erbschaft seiner Mutter, wie Maria eine international erfolgreiche Künstlerin, und ein beträchtlicher Aktiengewinn hatten zu seinem vorzeitigen Ruhestand geführt. Dieses Jahr wurde er fünfzig. Und gottlob brauchte er den Job als Aushilfsdetektiv bei seinem Schwager Hagedorn, der mit seiner Halbschwester Angie verheiratet war, immer seltener. Es war mehr ein Gefallen denn unbedingte Notwendigkeit, wenn Herr Schweitzer noch für ihn tätig wurde. Und Maria hätte ihre Arbeit auch getrost um zwei Drittel reduzieren können, ihr Auskommen war gesichert. Vor gerademal zwei Wochen hatte sie für eine Holzskulptur siebzigtausend Euro eingeheimst. Da hätte man glatt neidisch werden können, doch Herrn Schweitzer fehlte diese Eigenschaft völlig. Pekuniär konnten sich also beide nicht beklagen.
Er beschloß, sein Frühstück im Lesecafé in der Diesterwegstraße – die hieß wirklich so, Weg und Straße in einem – einzunehmen. Wenn Maria arbeitete, war sie meist derart bei der Sache, daß sie erst Hunger verspürte, wenn ihr schlecht wurde. Eine derart asketische Lebensweise war Herrn Schweitzer fremd. Die Apfel-Orangen-Diät konnte von ihm aus Herr Alzheimer weiterführen.
In der Zeitung, die er zum Frühstück las, diskutierten die Grünen über eine Koalition mit der CDU, was Herrn Schweitzer wieder einmal bestätigte, um an die Fleischtöpfe der Macht zu gelangen, war jedem jedes Mittel recht. Zur Not frißt der Teufel Fliegen beziehungsweise biedern sich Parteien dem politischen Erzfeind an. Mein Gott, ist das ekelhaft, dachte Herr Schweitzer, und legte die Zeitung beiseite. Wird Zeit, daß das Thema endlich vom Tisch kommt, damit man sich wieder ernsthaft mit den Nachrichten beschäftigen konnte.
Vom Eisernen Steg her näherte er sich der Dreikönigskirche, ein beliebtes Fotomotiv, obwohl sie architektonisch nicht gerade zu den Weltwundern gehörte. Doch ihre idyllische Lage am Main,
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