Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
und er mal wieder unter einer Decke. Fummelnd.
Als sich Herr Schweitzer am nächsten Morgen die Augen rieb, fühlte er sich wie ein Wischmop. Kein Wunder, war es doch gestern alles ein bißchen viel auf einmal. Er lugte durch die Gardinen. Über Sachsenhausen gebot ein strahlender Himmel. Maria schlief noch. Das hätte er gerne auch noch getan, doch die Pflicht rief. Er würde heute reichlich zu tun haben. Leise kleidete er sich an. Dann schrieb er ein paar nette Worte, wie Maria und er es sich angewöhnt hatten, wenn sie morgens einander nicht sahen.
Auf seinem Fahrrad ließ er sich den Berg herabrollen.
Auch die beiden Damen bei ihm zu Hause waren noch nicht auf. Wie er Laura kannte, würde sie bis in die Puppen schlafen. Er schaute auf die Uhr. Halb zehn. Er rief Andrea an. Ja, sie habe heute am Vormittag Zeit. Doch zuvor tischte er sich ein Frühstück auf, daß sich die Platte unter den Lasten bog. Als er damit fertig war, sammelte sich der Sauerstoff in seinem Magen, so daß er wieder ganz schläfrig wurde. Erneut wählte er Andreas Nummer und teilte ihr mit, daß es bei ihm eine Stunde später werden würde. Kurzfristig habe sich noch ein unaufschiebbarer Termin ergeben. Herr Schweitzer haute sich noch mal auf’s Ohr, vergaß aber nicht, den Wecker zu stellen.
Die beiden ungleichen Freundinnen schliefen noch immer. Wie Herr Schweitzer sich leicht ausmalen konnte, hatte sich Laura gestern nacht als Fremdenführerin betätigt und Esther in die facettenreiche Discowelt Frankfurts eingeführt. Um elf verließ er das Haus.
Gut, daß ich jetzt ein Fahrrad habe, dachte er, so konnte er wenigstens die permanenten Fahrpreiserhöhungen des Rhein-Main-Verkehrsverbundes, kurz RMV, umgehen. Wenn die es so weitertreiben, käme bald sogar Taxifahren billiger. Kam es ja heute schon, wenn man sich zu dritt oder viert eines teilte.
Über die Untermainbrücke, dem Gateway zum Bankenviertel, ging’s über den Römer zum Denkmalamt an der Schirn. Vor ein paar Monaten war er mit Maria mal im Berger-Kino in Bornheim gewesen und mit den Öffentlichen zurückgefahren. Sie hatten so lange auf die U-Bahnen warten müssen, daß nach Hause flanieren schneller gewesen wäre. Und umsonst. Dabei hatte der RMV in einem Kinospot noch für seine Schnelligkeit geworben. Die sollten ihre Produkte öfter mal selbst benutzen, hatte Maria noch gescherzt. Recht hatte sie.
„Ay, Alter“, nahm Andrea ihn etwas burschikos in Empfang. „Frisch?“
„Geht so.“
„Dann komm mal mit.“
Andrea ging voran, und Herr Schweitzer konnte kaum noch Schritt halten.
Über mehrere Gänge und Treppen gelangten sie zum Ziel.
„Und das hier ist mein Reich.“ Mit einer weit ausholenden Geste bedeutete sie ihm einzutreten.
„So, wollen wir mal.“ Nacheinander machte sie ihn mit den wissenschaftlichen Bezeichnungen vertraut und erklärte ihre Funktion, als sei es das höchste Himmelsglück, mit ihnen zu arbeiten. „Das ist ein Binokular, das ein Schlämmsieb und das da drüben ein Theodolit.“
Bis auf das Schlämmsieb, das möglicherweise zum Sieben von Schlamm benutzt wurde, konnte er mit den Begriffen wenig anfangen. „Oh.“ Herr Schweitzer kam aus dem Staunen nicht heraus. So hatte er sich ihren Arbeitsplatz nicht vorgestellt. „Karl, mei Droppe“, entfuhr es ihm.
Karl, reiche mir bitte meine kreislaufstabilisierenden Tropfen, andernfalls ich gleich kollabiere
hätte man es auch vornehm und umständlich auf hochdeutsch ausdrücken können. Aber das war des Frankfurters Sache nicht.
„Beeindruckt?“
„Mächtig.“
„Und, habe ich dir zu viel versprochen?“
„Nein, überhaupt nicht.“
„Hast du schon die Blöd gelesen?“ Andrea bedachte ihn mit einem listigen Grinsen. Wieder mal saß ihr der Schalk im Nacken.
„Nein, aber davon gehört. Ich dachte, mich laust der Affe. Stimmt das denn?“
„Was?“
„Daß die Knochen tatsächlich frisch sind.“
„So frisch nun auch wieder nicht. Vielleicht zwanzig Jahre.“
„Dann könnte die Theorie vom toten Kickersfan ja tatsächlich hinhauen.“
„Wenn Hühner Fußballspiele besuchen, ja.“
„Hä? Verstehe ich nicht“, räumte Herr Schweitzer ein.
„Die Knochen stammen vom Schreit Ficken.“
Zum Zeichen, daß er auf der Leitung stand, sauste sein Kopf hin und her.
„Kentucky Fried Chicken. Da hatte jemand Appetit auf Hähnchen und die Reste dann in die Grube geworfen. Wir haben darauf verzichtet, sie zur Gerichtsmedizin zu bringen. Tod durch Enthauptung und Spuren
Weitere Kostenlose Bücher