Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
einer Hexenverbrennung, bitte sofort die Kripo einschalten, hätte dann wahrscheinlich der Befund gelautet. Ich kenne die Jungs, die haben’s faustdick hinter den Ohren.“
„Welche Grube?“
„Noch sind es nur Spekulationen, aber wir, das heißt, die vom Bauamt haben uns mitgeteilt, daß um die gleiche Zeit der Gehsteig exakt an dieser Stelle aufgerissen worden war. Irgendwelche Telefonleitungen oder so ähnlich.“
„Und dieser Wundermann?“
„Der hat gestern in aller Herrgottsfrühe hier angerufen und gefragt, ob das Alter der Knochen schon bestimmt sei. Und ich habe ihm, höflich wie ich nun mal bin, wahrheitsgemäß Auskunft erteilt.“
So gesehen hatte seine Klassenkameradin natürlich recht. „Und dein Boß? Immer noch kein Ärger mit ihm?“
„Der? Pah. Das reinste Spielkind. War vorhin bei mir und hat gefragt, ob ich ein Foto von den Knochen machen könnte.“
„Wozu?“
„Das will er dann diesem Wundermann zusenden. Vielleicht drucken die’s ja wirklich in der morgigen Ausgabe. Das wird ein Heidenspaß. Man wird sehen.“
Herr Schweitzer lachte.
„Okay, okay. Solide Zeitschriften haben auch schon angefragt, aber denen haben wir natürlich die Wahrheit geschildert. Doch wer Blöd liest, war schon immer blöd und will auch immer blöd bleiben, wie mein Chef so schön sagt.“
Dem konnte Herr Schweitzer nur zustimmen. „Du, Andrea, jetzt, wo ich schon mal hier bin, ich habe da ein kleines Problem, und ich dachte, du könntest mir da sicher weiterhelfen.“
„Schieß los.“
„Also. Nehmen wir mal an, ich wollte etwas über Juden erfahren, die im Zweiten Weltkrieg hier in Frankfurt gelebt haben. Was mit ihnen geschehen ist, ob sie deportiert wurden und all so Sachen eben. An wen müßte ich mich da wenden? Einwohnermeldeamt?“
„Auch nicht schlecht. Jüdisches Museum wäre aber auch eine Option, da würde ich es zuerst probieren. Die haben da ein ziemlich großes Archiv.“
„Ich dachte, da gibt’s nur Ausstellungen.“
„Auch. Aber warte mal, ich gebe dir mal die Nummer von der Andrea Szapiro, die kann dich bestimmt weitervermitteln.“
„Die arbeitet auch hier?“ fragte Herr Schweitzer erstaunt, denn bei besagter Dame handelte es sich um eine weitere Klassenkameradin.
„Ja, im Sekretariat.“ Andrea blätterte in einem Notizbuch. „Hier. Ich schreibe sie dir schnell auf.“
„Danke.“
„Keine Ursache, der Herr. Und melde dich mal, es müssen ja nicht wieder zehn Jahre vergehen.“
„Mach ich.“
„Und noch was.“
Herr Schweitzer drehte sich wieder um.
„Wir beiden Andreas gehen auch hin und wieder gerne einen trinken.“ Sie hauchte ihm einen Handkuß zu.
Woher kennt die mich eigentlich so genau, fragte sich Herr Schweitzer. Ach ja, das Klassentreffen. Beim nächsten Mal würde er sich aber nicht die Blöße der Volltrunkenheit geben. Zum Abschied winkte er. Dann schloß er die Tür hinter sich.
Nachdem Herr Schweitzer seine nachmittäglichen Obliegenheiten wie Einkaufen, Essen und Schlafen erledigt hatte, rief er bei der anderen Andrea an und erhielt die gewünschten Informationen, um die er sich morgen zu kümmern gedachte. Das Mysterium um Joshua Silbermann lag jetzt schon so lange zurück, da kam’s auf ein paar Stunden auch nicht mehr an. Nur net hudele, sagte er sich. Dies war eine weitere seiner vielen Lebensweisheiten, die sprachlich aber eher im Schwäbischen beheimatet war, von der Tendenz her jedoch auch ganz prima nach Sachsenhausen paßte, und die besagte, nur nichts überstürzen. In einer überzogenen Eile stecken nämlich meist allerhand tückische Fallstricke, während man mit Umsicht und Gelassenheit einer Aufgabe am ehesten gewachsen ist. Außerdem mußte er ja erst mal Laura und Esther fragen, was sich denn behufs des Posters so alles ergeben hatte. Apropos Laura und Esther. Wo stecken die bloß?
Er klopfte.
„Hereinspaziert.“
„Da seid ihr ja. Hab euch gar nicht gehört.“ Damit war in erster Linie seine Mitbewohnerin gemeint. Im Prinzip war sie nämlich gar nicht zu überhören. Doch, früher, erinnerte sich Herr Schweitzer, als sie ihre Yogaphase hatte, aber das lag leider auch schon ein paar Jährchen zurück. Ansonsten zog dieser Wirbelwind in seinem Sog alles mit, was nicht niet- und nagelfest war.
„Du, guck mal“, kam Laura ohne Umschweife zur Sache. „Hier kann man ganz deutlich ein Straßenschild erkennen.“ Die beiden Vergrößerungen lagen zwischen ihnen auf dem Boden.
„Hallo Simon, schön dich zu sehen.
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