Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
diesem Heidenbrück. Unbewußt war er also schon von Beginn an auf der richtigen Fährte, aber das tröstete ihn nur wenig. „Kommt das öfter bei dir vor?“
„Glücklicherweise nicht. Aber es könnte der erste Vorbote sein.“
„Für was?“
„Altersdemenz. Schwachsinn. Viel zu viel Alkohol, eventuell.“
Letzteres wollte Herr Schweitzer schon mal gar nicht hören. „Ich trink doch nicht viel.“
„Hat das wer gesagt?“
„Ähem ... nein“, erwiderte er zerstreut. Wird Zeit, vom Thema abzulenken. „Und du bist ganz sicher, daß das da dieser Heidenbrück ...“ Er brach ab, kannte die Antwort bereits. Er selbst war sich jetzt ja auch sicher. Obendrein fiel ihm auch noch der Skandal von damals ein. Um was ging es da noch gleich? Lebensmittel? Kann sein, überlegte er, und fiel noch tiefer in sich zusammen, denn schon wieder war er mit einer Lücke, einer Leere konfrontiert. Und weil Melibocus beharrlich schwieg, ihn mit seinen Augen sezierte, sagte er hastig: „Ja, du hast recht, wer sollte es sonst sein. Dieses Gesicht gibt’s wohl nur einmal auf der Welt.“
„Siehst du.“ Der Herausgeber hatte die Hände gefaltet. Doch nun erwachte Neugier in ihm. „Wer sind eigentlich die anderen zwei?“ Er nahm das Foto auf, studierte und drehte es hin und her. Hielt es sogar flach gegen das einfallende Sonnenlicht.
„Weiß auch nicht. Der Linke könnte etwas mit einem Fall zu tun haben, an dem ich gerade dran bin. Der rechts ... keine Ahnung.“
„Ich aber.“
„Wie bitte?“
„Hier auf der Rückseite waren mal Namen draufgeschrieben. Ist dir das nicht aufgefallen? Mit Bleistift, schätze ich mal. Entweder verblichen oder ausradiert.“ Melibocus öffnete die Schublade und fingerte eine Bleistiftmine hervor. Vorsichtig und ohne Druck auszuüben begann er, die Mine über das Papier zu führen.
„Was tust du da?“
„Lesen. Warte doch mal. Du bist immer so ungeduldig.“
War er für gewöhnlich nicht, doch Herr Schweitzer brannte darauf, endlich die erste ernsthafte Spur verfolgen zu können.
„So, das wär’s. Macht einen Kasten Bier.“
„Gebongt. Kriegst du. Nun schieb schon rüber.“
Doch bevor Melibocus das Foto freigab, notierte er sich noch die Namen. Als Journalist konnte er nicht aus seiner Haut.
Herr Schweitzer las, beziehungsweise dechiffrierte. Hermann Bauer, Claude Heidenbrück, Peter Söhnle. Und hielt inne. Wieso Hermann Bauer und nicht Joshua Silbermann? „Kapier ich nicht. Gerade der linke Typ war, bis ich zu dir kam, der einzige, dessen Name feststand. Doch hier heißt er plötzlich ganz anders.“
„Wie hätte er denn deiner Ansicht nach heißen sollen?“
„Joshua Silbermann.“
Melibocus zog die Stirn in Falten. „Sagt mir gar nichts.“
„Wie auch. Dieser Silbermann ist ein ganz normaler Jude, früher Inhaber eines Möbelgeschäftes, lebt heute in Israel.“
„Ein Jude in Naziuniform? Simon, Simon, ich glaube, du hast einen gehörigen Schatten.“
„War nur so’ne Theorie von mir.“
„Deine Theorien waren auch schon mal logischer.“
Dem konnte Herr Schweitzer in Anbetracht der neuen Sachlage nur vorbehaltlos zustimmen. Er war sehr durch den Wind. Wer war denn nun dieser geheimnisumwitterte Joshua Silbermann? Er schwor sich, nicht lockerzulassen, bis er diese Nuß geknackt haben würde. Und wenn es Jahre beanspruchte. Ein Gedanke keimte in ihm. Und wurde groß und größer. Natürlich, jetzt hatte er es. Joshua Silbermann mußte sich doch zur Tarnung einen falschen Namen zulegen, sein eigener belegte sein Judentum ja dermaßen offensichtlich, daß er sich auch gleich selbst den Judenstern ans Revers hätte nähen können. Diese seine Gedanken teilte er Melibocus sogleich mit.
„Zur Tarnung, meinst du?“ Der Herausgeber grübelte. „So was soll vorgekommen sein“, bestätigte er. „Bei dir ist ja doch noch nicht Hopfen und Malz verloren. Gute journalistische Ansätze. Falls du mal einen Job brauchst ...“
Doch Herr Schweitzer hörte gar nicht richtig hin, war in seine eigene Gedankenwelt hinabgetaucht. Sein Instinkt sagte ihm, dieser Heidenbrück ist der Schlüssel zu allem. „Was weißt du über diesen Heidenbrück? Du hast vorhin so Andeutungen gemacht.“
Melibocus musterte Herrn Schweitzer sehr eindringlich. „An dem wirst du dir die Zähne ausbeißen.“ In Vorfreude eines folgenden Scherzes lacht er. „Zumal er nur noch aus Knochen bestehen dürfte. Und sein Sohn, der mittlerweile dem Konzern vorsteht, ist ein ebenso harter
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