Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
Schlafgewohnheiten aus, folglich war man mehr oder weniger gezwungen, mittels Alkohol oder anderen Drogen diesem Defizit zu begegnen.
„Hallöchen, Simon, altes Haus. Heute schon Brettchen gefuttert?“
Das hat mir gerade noch gefehlt, dachte Herr Schweitzer, wenn’s sich schon bei den Bullen rumgesprochen hat, dann kann man auch gleich eine Titelstory für’s Sachsehäuser Käsblättche daraus machen. „Ja, hab’s mir aber heute mit einem Schnitzel garnieren lassen. Kaum Nährstoffe in so einem Holzteil.“
„Das Plakat hat uns Buddha Semmler vorbeigebracht. Hängt gleich neben den Fahndungsplakaten.“
„Toll, immer schön Reklame für mich machen. So hab ich’s gern.“
„Haben wir uns auch gedacht. Wer hat das eigentlich so gut hingekriegt? Sieht echt spitzenmäßig aus. Man bekommt richtig Appetit.“
Herr Schweitzer deutete auf Maria.
Frederik Funkal: „Ah ja, verstehe, Künstlerin.“ Und wechselte abrupt das Thema. „Habt ihr schon gehört, was Heiner heute passiert ist?“
Der Kollege Heiner: „Oh Mann, nicht schon wieder. Das gesamte Revier lacht sich schon schief. Ich gehe jetzt mal zum Amalfi. Willst du auch eine Pizza?“
„Nein, laß mal.“ Er konnte es kaum erwarten, seine Geschichte vom Stapel zu lassen.
Als Heiner gegangen war, legte er los. Wie sein Kollege aus heiterem Himmel eine Vollbremsung hinlegte und ihn, Funkal, gefragt hatte, ob er das eben auch gesehen habe. Was er habe sehen müssen, habe er zurückgefragt und als Antwort erhalten, da sei doch gerade ein Nackischer auf einem Fahrrad über die Kreuzung gerauscht. Ob es denn Rot gewesen sei, habe er daraufhin wissen wollen und sich dabei aber bereits gedacht, daß der Nackte Jörg wieder mal unterwegs ist. Er habe auch gerade ansetzen wollen, daß dieser Nackische, wie Heiner unseren Jörgeli ja genannt hatte, das durfte, doch Heiner habe in Windeseile das Martinshorn eingeschaltet und einen Kavaliersstart an den Tag gelegt, daß fast der komplette Gummi von den Reifen war. Aber Heiner sei früher mal Rallye gefahren, der habe das Auto im Griff.
Machen wir an dieser Stelle eine kurze Pause, denn die bisher von dem Streifenpolizisten geschilderten Ereignisse schreien geradezu nach einer Erklärung. Vor allem bei Lesern, die nicht in Frankfurt beheimatet sind, kommt es bisweilen vor, vom Nackten Jörg noch nie gehört zu haben, obwohl er bereits seit zwanzig Jahren seinen Spitzenplatz im Sachsenhäuser
Who is who
innehat und bekannt wie ein bunter Hund ist. Vor genauso vielen Jahren war es ihm zur fixen Idee geworden, ohne Kleider und fern jedweden Modediktats durch die Gegend zu huschen. Hatte es anfangs noch vereinzelt Aufschreie gegeben, so hatte sich das Verhältnis Nackter Jörg zur Bevölkerung nach und nach in eine friedliche Koexistenz verwandelt. Das Greenhorn Heiner, dem man auf der Polizeischule viel Theorie eingebleut, aber nicht auf die knallharte Realität vorbereitet hatte, sah sich natürlich in seiner Unschuld mit einem Sittenstrolch konfrontiert, dem man schleunigst das Handwerk zu legen habe.
Auf alle Fälle habe Heiner, laut Frederik Funkal, den sichtlich überraschten Nackten Jörg an der nächsten Ampel gestellt, was ihm, dem Jörgeli, seit ewig und drei Tagen nicht mehr widerfahren war. Hat der Mensch Worte, seien nun Heiners ebensolche gewesen, als er den Nackischen zur Rede stellte, was haben wir denn hier? Doch hatte der nackte Mann auf des Streifenwagens Beifahrersitz ihn, Funkal, ausmachen können, mit dem er auf Du und Du stand, und sich solchermaßen auf der sicheren Seite gewußt, zumal dieser ihm noch mittels eines konspirativen Augenzwinkerns zu verstehen gegeben habe, man – der Nackte Jörg, und er, Frederik Funkal – könne sich nun mit dem Neuen, denn daß Heiner nicht zur alten Stammbesetzung gehörte, war auch dem Nackischen klar, einen kleinen Ulk erlauben. Dergestalt ermuntert habe der Nackte Jörg dann den Vogel abgeschossen, indem er zurückgefragt hatte, ob etwas mit dem Fahrrad nicht in Ordnung sei. Und dann habe er seinen Kopfhörer abgenommen, weil der andere sich dadurch ja hätte provoziert fühlen können, wenn er, der Nackte Jörg, bei einer von staatlicher Seite vorgenommenen Vernehmung nebenbei Musik hörte. Heiner seinerseits sei dadurch etwas aus der Fassung geraten und habe nun wissen wollen, ob man ihn hier verarschen wolle, genau das könne er selbst nämlich viel besser. Nein, nein, keineswegs, Herr Oberleutnant, habe sich dann der Nackische bemüßigt
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