Die Leiche am Eisernen Steg (German Edition)
ja was in diese Richtung.“
Also wieder die Datenbank des Jüdischen Museums, überlegte Herr Schweitzer, jetzt, wo ich weiß, wie’s funktioniert ...
„Äh, falls dabei wirklich etwas rauskommt, dann gibt’s doch Kohle. In Echt, meine ich.“
Melibocus lächelte amüsiert. Er wußte, Herr Schweitzer brauchte das Geld nicht. „Dann wirst du bezahlt wie ein Großer. Und wenn wir den Spiegel für die Sache begeistern können, noch besser.“
Frohen Mutes machte er sich abermals zu Herrn Lampert auf.
Keine fünfundzwanzig Minuten später hatte es sich ausgejabbadabbdut. Einem völlig in sich zusammensinkenden Herrn Schweitzer hatte man mitgeteilt, ein Nathan Bloch habe 1942 einen Ausreiseantrag gestellt, der allerdings abgelehnt worden sei, und danach habe sich jede Spur von ihm verloren. Also kein Entschädigungsverfahren, keine belastende Aussage gegen Heidenbrück. Nichts. Na, was soll’s, tröstete er sich, ein klein bißchen weiter sind wir ja hinsichtlich der Geschäftserweiterung dieses vermaledeiten Alt-Nazis gekommen. Schritt für Schritt, dann wird das auch was, gemahnte er sich zur Geduld.
Als Trostpflaster dienten ihm im Alten Café Schneider, seit 1906 im Familienbesitz, schräg gegenüber des Hotels Frankfurter Hof, je ein Stück Schwarzwälder Kirsch, Tarte aux noix und Frankfurter Kranz mit einer üppigen Krokantschicht.
Später noch ging er zum Naacher, sich mit Literatur übers Nazi-Regime eindecken. Damit würde er sich in nächster Zeit eingehend beschäftigen müssen.
In den nächsten Tagen wüteten schwere Regenschauer über der Mainmetropole. Bis zum Wochenende arbeitete sich Herr Schweitzer so weit in die Materie des Holocaust ein, bis er seinen Bedarf an Grausamkeiten als gedeckt erachtete. Für weitere Rückschlüsse in den Fällen Silbermann und Heidenbrück fehlte es an allen Ecken und Kanten. Eine gewisse Ernüchterung machte sich breit. Vielleicht sind meine diesbezüglichen Hirnprozesse auch schlichtweg fehlgeleitet, überlegte er verdrossen, und ich habe mich im Gehege meiner eigenen Gedanken verfangen.
So entschloß er sich des Freitags, mit Maria auf einen scharfen Weintrunk diverse Sachsenhäuser Lokalitäten zu frequentieren, auf daß sein Operationsfeld ein paar fremde Gedankengänge befruchteten.
Doch das einzige, was dabei herauskam, außer einem nachgerade unmoralisch hohen Alkoholpegel, war, daß er wohl zu einseitig an die Sache heranging. Maria äußerte, er solle doch den Anfängen wehren und Joshua Silbermann als Ausgangspunkt betrachten. Womit sie einerseits ja auch gar nicht so falsch lag, andererseits war es ihm ein unwiderstehliches Bedürfnis, auf Claude Heidenbrücks Grab zu pinkeln. Er glaubte an dessen Unschuld genauso wenig wie an die Quadratur des Kreises. Ihm war es schon seit jeher gegen den Strich gegangen, wie Verantwortliche von kriegerischen Handlungen Heldenstatus erlangten, und von vielen Leuten noch heute verehrt wurden. Es war mehr als perfide, daß Schlächter in aller Munde waren, wohingegen über die Opfer der Mantel des Schweigens gebreitet wurde – die Geschichte kennt halt nur Sieger. Das war schon bei Napoleon der Fall, ebenso wie bei den vermeintlich glorreichen Eroberungen Amerikas, Afrikas und Australiens. Dschingis-Khan war ein ebensolcher Schlächter wie Karl der Große oder Cäsar. Und Heidenbrück ein Handlanger derer, denen nur das Glück zur Seite stand, keine oder kaum Spuren zu hinterlassen, die nach einer Korrektur der Geschichtsschreibung schrien. Und sei es bloß eine erklärende Fußnote, worauf die Firmengeschichte der Heidenbrückschen Unternehmerdynastie gründete. Auf Blut nämlich. Und wenn er, Herr Schweitzer, sein Scherflein zur Aufklärung beitrug, umso besser. Jemand mußte ja das Wort Gerechtigkeit auf das Banner schreiben, während es in der Gesellschaft vor Duckmäusern und Schwanzeinziehern nur so wimmelte.
Und falls ihm je eine Beweiskette gelingen sollte, dann würde er nicht zu Kreuze kriechen oder das große Fracksausen bekommen. Genau das hatte Herr Schweitzer wortwörtlich zu seiner Freundin gesagt, als man an diesem Samstagmorgen zu nachtschlafender Zeit heimkehrte. Maria kannte ihn gut genug, um seinen Ausführungen Glauben zu schenken. Allein, die Beweislast war arg dürftig, und was blieb, war die Hoffnung, in Esthers Großtantes Hexenhäuschen möge noch das ein oder andere Dokument aufgetaucht sein.
Es war ein geradezu elysischer Morgen, der sich ihm offenbarte, als Herr Schweitzer am
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