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Die Leiche am Fluß

Die Leiche am Fluß

Titel: Die Leiche am Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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seit sie in Paris war. Aber auch sehr glücklich.

59

    Der heilige Antonius von Ägypten (ca. 251-356 n. Chr.):
    Eremit und Begründer des christlichen Mönchstums. Ein Asket, der bereitwillig zugab, daß ihn alle nur denkbaren — insbesondere geschlechtliche — Versuchungen heimsuchten. Es heißt, er habe häufig des Nachts nackte Weiber aufgefordert, vor ihm zu paradieren, indes er, die Hände hinter dem Rücken gefesselt, in durchsichtigem, aber nicht allzusehr einengendem Sackleinen dalag.
    (Simon Small, An Irreverent Survey of the Saints)

    Am Dienstag, dem 27. September, ging Morse um 9.30 Uhr vom Carfax kommend die High Street hinunter und langsam an den Schaufenstern einiger exklusiver Juweliergeschäfte vorbei. Er hätte nicht sagen können, ob er sich mit seiner Besorgung leichter oder schwerer tat, nachdem sich der Verdacht erhärtet hatte, daß Eleanor Smith (die Edward Brooks’ Leiche am Vortag offiziell identifiziert hatte) die Schuld am Tod ihres Stiefvaters trug. Vielleicht eher leichter, denn er suchte nun nicht mehr nach einem Hochzeitsgeschenk. Daß sie in absehbarer Zeit würde heiraten können, schien recht unwahrscheinlich. Etwas schenken aber wollte er ihr immer noch. Etwas Persönliches.
    Etwas in der Art, wie Lewis es vorgeschlagen hatte.
    «Wieviel kostet das?» fragte er eine junge Verkäuferin in dem Geschäft gegenüber der Markthalle.
    «Netter kleiner Anhänger, nicht? Hübsch gearbeitet, geschmackvoll und nicht mal teuer.»
    «Und wieviel?» wiederholte Morse.
    «Nur 35 Pfund, Sir.»
    Nur!
    In den ovalen Anhänger war eine Figur eingraviert. «Ein Christophorus?»
    «Ein Antonius, Sir. Sehr bekannter christlicher Heiliger.»
    «Ich dachte, der ist der Schutzpatron für Sachen, die man verloren hat.»
    «Denken Sie vielleicht an einen späteren Antonius?»
    Morse war ziemlich sicher, daß es nur einen Heiligen dieses Namens gegeben hatte. «Dann brauche ich aber auch noch eine Kette dazu, nicht?»
    «Ja, ohne Kette kann man einen Anhänger schlecht tragen», sagte sie sichtlich amüsiert. Aber es war auch keine besonders intelligente Frage gewesen.
    Und dann hatte er die Qual der Wahl zwischen den verschiedenartigsten Ketten. Ketten mit unterschiedlichem Silber- oder Goldgehalt; Ketten mit größeren oder kleineren Gliedern; Ketten in verschiedener Länge. Ketten zu verschiedenen Preisen.
    Schließlich hatte sich Morse zu einer Entscheidung durchgerungen. Er kaufte den Anhänger und eine Kette (die billigste).
    Er ging ein paar Schritte in Richtung Carfax Tower, dann machte er kehrt, betrat noch einmal das Geschäft und fragte, ob er die Kette Umtauschen könne. Ja, gern, erwiderte die unentwegt lächelnde Verkäuferin (lachte sie ihn an oder aus?), und fünf Minuten später war Morse wieder in Richtung Carfax unterwegs. Mit einer anderen Kette. Der teuersten.
    Jetzt war er für die Vernehmung gerüstet.
    Eleanor Smith hatte ohne Überraschung zur Kenntnis genommen, daß die Polizei ihr die Fingerabdrücke abnehmen wollte — «um Sie sicher als Täterin ausschließen zu können», wie Morse betont hatte. Und als er sagte, es sei gegen die Vorschriften, wenn jemand, der am Fundort der Leiche gewesen war, sich privat mit Zeugen traf, die möglicherweise — äh — von den Ermittlungen berührt wurden, hatte sie ohne weiteres emgewilligt, ins Präsidium zu kommen. Man würde sie abholen. Um 11.15 Uhr.
    Morse hatte gerade noch Zeit, bei Sainsbury am Kidlington-Kreisel vorbeizufahren. An der Schnellkasse war er der einzige Kunde. Er hatte nur vier Posten: zwei kleine Dosen Bohnen in Tomatensoße, ein kleines dunkles Brot, eine Flasche Glenfiddich.

60

    Trifft der Himalaya-Bauer einen Bären, groß und grimm, schreit er, um ihn zu verscheuchen, und oft flieht das Ungetüm. Doch die Bärin, angebrüllt, zerfetzt ihn mit Klaue und Zahn. Denn das Weib der Gattung ist viel mörderischer als der Mann.
    (Rudyard Kipling, The Female of the Species)

    «Wie werden Sie vorgehen, Sir?»
    «Das weiß ich noch nicht. Ich weiß nur, daß wir, falls eine unserer drei Damen Brooks umgebracht hat — und eine von ihnen war es mit Sicherheit — , die anderen beiden vergessen können, wo immer die sich gerade sonnen mögen. Ich wette, daß eine oder beide in das Komplott verwickelt waren, aber nach dem, was wir über Daten und Uhrzeiten wissen, können sie die eigentliche Tat nicht begangen haben. Anders sieht es bei Ellie Smith aus. Sie ist an dem bewußten Mittwoch nach Birmingham gefahren, das haben

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