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Die Leichenuhr

Die Leichenuhr

Titel: Die Leichenuhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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vergangenen Jahr habe ich noch mal Glück gehabt. Ich wäre beinahe erfroren. Da muß man schon Vorsorge treffen.«
    »Aber nicht bei mir, Sinclair!«
    Es lief nicht gut für mich. Er glaubte mir nicht. Ich mußte die Lage wieder wenden und versuchte, ein möglichst zerknirschtes Gesicht zu machen.
    »Wollen Sie mir diese Chance auch wieder nehmen, Sir? Warum denn? Ich habe…«
    »Du hast geschnüffelt.«
    »Aber hier gibt es doch nichts.«
    Tonio Baresi ließ sich Zeit. Er atmete tief ein. Er pumpte sich auf, als wollte er noch wachsen. Es gefiel ihm nicht, daß er an mir hochschauen mußte. Mit der linken Handfläche rieb er über das Leder seines Mantels.
    Ich hörte die knirschenden Geräusche, und dann nickte er einige Male.
    »Du hast mich zwar nicht überzeugt, Sinclair, aber ich bin auch kein Unmensch. Du kannst bleiben.«
    »Danke, Sir.«
    »Bedanke dich später.« Er schaute mich hinterlistig grinsend an. »Falls du dann noch Lust dazu hast.«
    Ich strich durch mein Haar und machte einen etwas bedepperten Eindruck. »Wie haben Sie das denn gemeint, Sir?«
    »Das wirst du noch sehen. Es liegt an dir, ob ich dich durch die Attraktion führe oder nicht.«
    »Welche Attraktion?«
    »Das Kabinett, in das du doch hinein wolltest, wenn ich das richtig gesehen habe.«
    »Auf keinen Fall, Sir.«
    Baresi unterbrach mich. »Rede nicht, ich bleibe bei meiner Ansicht. Es kommt auf dich ganz allein an, ob du es zu sehen bekommst oder nicht. Du mußt dich nur richtig verhalten.«
    »Ich werde meine Arbeit verrichten.«
    »Hoffentlich«, murmelte er und winkte mit der Lampe. »Am besten wird es sein, wenn ich dich wieder an deinen Schlafplatz zurückbringe. Es fängt für dich bald ein harter Tag an, der sicherlich kein Vergnügen sein wird. Darauf kannst du dich verlassen.«
    Es gab keinen Grund für mich, ihm zu widersprechen. Er würde mich sicherlich scheuchen, bis mir die Knochen weh taten, bis ich erschöpft war und er von mir kaum Widerstand erwartete. Er hatte mir so gut wie versprochen, mir das Kabinett zu zeigen. Ich wußte nicht, ob ich mich darüber freuen sollte oder nicht, denn möglicherweise war es eine Falle.
    Da brauchte ich nur an die beiden verschwundenen Männer zu denken.
    Ich erinnerte mich auch an den leisen Schrei und warf noch einen Blick zurück, bevor wir gingen.
    »Ist was?« fragte Baresi.
    »Nein, Sir, nein, im Prinzip nicht.« Ich spielte anschließend eine gefährliche Karte auf. »Aber ich habe das Gefühl gehabt, einen Schrei gehört zu haben.«
    Baresi blieb stehen. »Einen Schrei, wie?«
    »Ja, Sir, ja. Aus dem Kabinett.«
    Er verengte die Augen, als er mich anschaute. »Bilde dir nur nichts ein, du Penner. Wer hier schreit und wer nicht, das bestimme noch immer ich. Verstanden?«
    »Sicher, Sir.«
    Er brachte mich bis zu meinem Schlafplatz. Unterwegs sprachen wir kein Wort mehr miteinander. Tom wurde nicht wach, als ich das schmale Kassenhaus betrat. Baresi blieb an der Tür stehen. »Ist doch gemütlich hier«, sagte er. »Vor allem warm. Zu frieren brauchst du nicht. Ich an deiner Stelle würde mich jetzt hinlegen und auch liegenbleiben. Der morgige Tag wird kein Zuckerschlecken.«
    Ich hockte mich auf den Boden und faltete die Decke auf. »Natürlich, Sir, ich werde es versuchen.«
    »Ich rate es dir.«
    Er zog sich zurück und hatte die Tür nicht ganz geschlossen, als ihn mein Ruf erreichte. »Ach so, Sir, da ist noch etwas, das ich Ihnen sagen wollte.«
    »So? Was denn?«
    »Danke!«
    Baresi schnaufte.
    Ihm fiel keine Antwort ein. Er war unsicher geworden und wußte auch nicht, ob er auf den Arm genommen werden sollte oder nicht.
    Ziemlich heftig zog er die Tür zu. Mein Lächeln sah er nicht mehr, aber durch das Geräusch war sogar Tom aus dem Schlaf hochgeschreckt. Er grunzte, setzte sich in einer Reflexbewegung hin und fragte: »Ist was?«
    »Nein, Tom, schlaf weiter.« Ich kroch unter die graue Decke, die stank und kaum wärmte.
    Aber Tom wollte nicht schlafen. »Da war doch Baresi«, sagte er und hustete.
    »Du hast geträumt.«
    »Habe ich nicht. Was wollte er?«
    Ich verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Er hat mich zurückgebracht, weißt du.«
    »Woher denn?« Tom wandte sich mir zu. Von seinem stoppelbärtigen Gesicht war nur ein Schatten zu sehen. Noch immer stank er nach billigem Fusel.
    »Ich war unterwegs, konnte nicht schlafen. Habe mich nur ein wenig umgeschaut, und das hat ihm nicht gefallen.«
    Tom kicherte. »Da kennst du den Alten schlecht. Der dreht oft

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