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Die Leichenuhr

Die Leichenuhr

Titel: Die Leichenuhr
Autoren: Jason Dark
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nach einer Hexe riefen, die endlich hergebracht werden sollte.
    Das Feuer hatte das große Kreuz in einen zuckenden und lodernden Umhang gekleidet. Dunkel war der Himmel über dem Land, aber die nach oben greifenden Flammen rissen tiefe Lücken in die Finsternis hinein und füllten sie mit ihrem roten, gelben und schwarzen Widerschein aus, so daß gespenstische Gebilde entstanden.
    Vangard hatte die Kuttenträger nicht gezählt. Es waren sehr viele, und einer von ihnen tat sich besonders hervor. Auf der Vorderseite der weißen Kutte leuchtete ein blutrotes Kreuz. Der Mann selbst hielt eine schwere Bullpeitsche in der Hand, die er immer wieder schwang und laut knallen ließ.
    »Die Hexe!« schrie jemand.
    Der Anführer fuhr herum. Seine Hand mit der Peitsche sank nach unten.
    Das Leder ringelte sich auf dem Boden zusammen. »Bringt sie her, verdammt! Sofort!«
    Das Brausen der Flammen wurde von einem anderen Geräusch übertönt. Jules konnte es zuerst nicht identifizieren, bis ihm einfiel, daß es nur das Donnern von Hufen sein konnte. Im nächsten Augenblick erschienen aus der tiefen Dunkelheit hinter dem brennenden Kreuz vier Reiter, die eine ungewöhnliche Haltung eingenommen hatten. Sie hatten sich zu verschiedenen Seiten hingebeugt und hatten Schlingen um ihre Handgelenke gedreht. Deren Enden umschlossen die Hand- und Fußgelenke der eben erwähnten Hexe. Sie wurde wie ein alter Teppich über den Boden geschleift, und ihre schrillen Schreie übertönten selbst den Klang der Hufe. Wenn die Frau noch weitergeschleift wurde, dann würde sie zu Tode kommen, aber die Reiter stoppten ihre Tiere in der Nähe des brennenden Kreuzes, bevor sie sich aus den Sätteln schwangen und die Hexe hochrissen. Die Frau war nackt!
    Jules Vangard ballte seine Hände. Plötzlich war er erregt und wie vor den Kopf geschlagen. Er hatte die junge Frau erkannt. Es war Lizzy, seine Lizzy, die sich da unter den Griffen ihrer Peiniger wand und von den anderen so schamlos angeglotzt wurde.
    »Nein!« keuchte Vangard. »Das darf nicht wahr sein, das ist einfach nicht wahr! Das ist…« Seine Beine setzten sich wie von selbst in Bewegung, und so lief er auf den Ort des Geschehens zu. Obwohl er waffenlos war, mußte er Lizzy helfen. Sie durfte nicht getötet werden!
    Seine Füße hinterließen dumpfe Echos auf dem weichen Boden. Er keuchte laut, die Augen waren weit geöffnet, die Lippen spröde, die Glut des Feuers schickte ihm ihren Hauch entgegen, der über sein Gesicht streifte und so heiß war, als sollte ihm die Haut gelöst werden.
    Die vier Männer lösten die Fesseln.
    Nackt wand sich Lizzy auf dem Boden. Ihr braunes Haar war wie eine Fahne. Sie schrie noch immer.
    Aber waren das tatsächlich Schreie?
    Jules wußte es selbst nicht mehr, er war völlig durcheinander, als er auf sein Ziel zulief. Es brauchten nicht unbedingt Schreie zu sein, denn diese schrillen Laute hörten sich eher an wie ein gellendes Lachen, mit denen sich Lizzy über ihre Peiniger amüsierte.
    Dann war er da!
    Er schlug zu.
    In seiner Wut hatte er sich den Anführer vorgenommen und rammte seine Faust dicht unter die beiden Augenschlitze, weil er die Nase des Mannes zu Brei schlagen wollte.
    Er traf, und er traf nicht!
    Die Faust wischte durch die Gestalt hindurch, und von seinem eigenen Schwung wurde Jules nach vorn getragen. Auf dem etwas glatten Boden rutschte er aus, fiel hin, rollte sich zur Seite, wurde nicht angegriffen und bekam überhaupt keinen Sinn in die gesamten Vorgänge. Er war nicht mehr als ein Statist, der bei diesem Drama mitspielte, aber von den anderen nicht zur Kenntnis genommen wurde.
    Er sprang wieder hoch.
    Lizzy hatte man ebenfalls auf die Beine gezogen. Sie wand sich unter den Griffen ihrer Peiniger, sie spuckte, sie trat um sich, und plötzlich brach sie grünen Schleim aus.
    »Das ist die Hexe! Ins Feuer mit ihr!«
    Darauf hatten die anderen Kuttenträger nur gewartet. Sie rannten herbei, und unzählige Hände waren plötzlich da und schnappten sich die nackte Frau.
    Jules wollte dazwischen. Er schrie, er bebte, er schlug seine Widersacher, ohne sie direkt zu treffen, und er geriet so in die unmittelbare Nähe der Frau.
    Er konnte sogar in ihr Gesicht schauen, denn sie lag auf dem Rücken, als sie zum Feuer geschafft wurde.
    »Lizzyyy…«
    Sie lachte ihn an, und sie geiferte dabei. Grüner Schleim oder widerliche Galle sprühten vor ihrem Mund. Die Augen waren weit geöffnet, die Pupillen zeigten einen klaren Glanz, in dem sich Bilder
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