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Die Leichenuhr

Die Leichenuhr

Titel: Die Leichenuhr
Autoren: Jason Dark
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seine Runden.«
    »Hat er einen Grund dafür?«
    »Das weiß ich nicht. Der ist eben sehr mißtrauisch.«
    »Auch seinen Leuten gegenüber?«
    »Klar.«
    »Schlechte Erfahrungen, wie?«
    »Kann sein«, brummelte Tom. Auch er ließ sich wieder zurücksinken.
    »Er will eben alles unter Kontrolle haben. Niemand soll von der Schiene geraten.«
    »Das hört sich an, als hätte er etwas zu verbergen.«
    »Wer weiß«, seufzte mein Nebenmann.
    Ich stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Los, Tom, stell dich nicht so an. Sag was.«
    »Was soll ich denn sagen?«
    »Daß es hier ein Geheimnis gibt.«
    »Quatsch.«
    »Finde ich nicht.«
    »Du bist erst ein paar Stunden hier.«
    »Trotzdem kenne ich mich aus. Ich bin herumgekommen, Tom. Kannst dich drauf verlassen. War auch einige Male weg von der Insel und auf dem Festland. Ich habe dort viel gesehen und kenne auch Jahrmärkte und Zirkusse. Habe oft genug mitgeholfen, sie auf- und abzubauen. Aber einen Typ wie Baresi habe ich noch nicht erlebt. Kein Direktor schleicht grundlos nach Mitternacht über das Gelände.«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Es muß einen Grund geben.«
    Tom stöhnte auf. »Wo hat er dich denn erwischt, du verdammter Quälgeist?«
    »An dieser großen Bude, dem historischen Kuriositätenkabinett. Und zwar an der Rückseite.«
    »Ha…«
    »Was heißt das?«
    »Da wolltest du wohl einbrechen, wie?«
    »Unsinn. Was hätte ich denn da holen sollen? Ich habe mich über dein Schnarchen geärgert, konnte nicht einschlafen und wollte deshalb frische Luft schnappen.« Ich schlug mit der Hand auf mein neben mir stehendes Gepäck, das ich in einem Rucksack untergebracht hatte.
    »Das ist der Grund.«
    »Den dir Bares nicht geglaubt hat.«
    »So ist es.«
    »Da kann ich auch nichts machen.« Es hörte sich so an, als hätte Tom keine Lust mehr, sich noch länger über das Thema zu unterhalten. Er wollte seine Ruhe haben, was verständlich war. Der nächste Tag würde auch für ihn hart werden.
    Ich machte nicht den Fehler, ihn einzuweihen. Auf keinen Fall durfte ich ihm vertrauen.
    Tom war müde geworden, ich hörte es an seiner Stimme, die matt klang.
    »Einen guten Rat gebe ich dir, John. Stell nicht zu viele Fragen. Mach hier keinen Ärger, sonst wird es dir verdammt schlecht ergehen.«
    »Kennst du dich aus?«
    »Vielleicht«, murmelte er und war Sekunden später eingeschlafen, wie sein Schnarchen verkündete.
    Ich lag noch lange wach. Und das ungute Gefühl steigerte sich. Obwohl noch nichts Konkretes in meiner Umgebung passiert war, hatte ich den Eindruck, daß hier einiges nicht so ablief, wie es eigentlich ablaufen mußte. Auf den nächsten Tag war ich gespannt.
    Jules Vangard wußte nicht, ob er träumte oder wach war, doch der heiße Flammenschein versengte beinahe seine Haut. So sah er sich gezwungen, zurückzutreten, bis er den düsteren Schatten einer mächtigen Baumkrone erreicht hatte, die ihn schützte. Er wunderte sich darüber, daß ihn niemand aufgehalten hatte, man hätte ihn sehen müssen, denn kurz vor seinem Wegtreten war eine der Kuttengestalten dicht an ihm vorbeigegangen. Er hatte ihm nichts getan, nicht einmal angeschaut aus den schmalen Augenschlitzen, die in die weiße Kapuze hineingeschnitten waren. Oben endete die Kopfbedeckung in einer ziemlich langen Spitze, und mit ihrer breiten Öffnung saß sie zu beiden Seiten des Halses auf den Schultern auf.
    Die Gestalt war weitergegangen und hatte für freie Sicht des Beobachters gesorgt.
    Noch immer war er wie vor den Kopf geschlagen. Er konnte sich keinen Reim auf die Vorgänge machen, hier waren Veränderungen eingetreten, die mit seiner Logik nicht erfaßt werden konnten. Vor seine Überlegungen schob sich ein Schutzschild. Vangard nahm sich vor, nur zu beobachten und nicht zu handeln.
    Seinen Gedankenapparat konnte er trotzdem nicht abstellen. Natürlich suchte er nach einer Erklärung. Die irresten Ideen und wirrsten Gedanken huschten durch seinen Kopf. Er dachte daran, daß er durch irgendeinen Vorgang in einen Drei-D-Film hineingeraten war oder in ein Hologramm, das ihn in eine andere Wirklichkeit entführt hatte, mit der er noch nicht zurechtkam.
    Es gab ja Dinge im Leben, die nicht erklärbar waren, aber diese andere Wirklichkeit war seines Erachtens verflucht hautnah, denn er nahm ja nicht allein die Szene in sich auf, er registrierte auch das gesamte Drumherum: die Hitze des Feuers, die Schreie der Kapuzenmänner, die sich in der Nähe des Flammenkreuzes hektisch bewegten und immer wieder
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