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Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)

Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)

Titel: Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Mack
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eingetreten.»
    Semjon schaute in die Richtung, in die der Mann zeigte, und erblickte einen Mann mittleren Alters, der nicht besonders groß, aber durchaus stark gebaut war. Der Mann trat ein und setzte sich allein an einen der Tische. Die junge Bedienung zögerte nicht lange und brachte ihm sofort eine Flasche Whiskey und ein kleines Glas an den Tisch.
    «Ach so. Also wenn es sich um Whiskey handelt, dann ist die Wette vom Tisch. Davon bekomme ich Hirnsausen. Ich dachte, es ginge um Ale.»
    «Nein.» Der stämmige Mann schien sofort das Interesse zu verlieren, als er merkte, dass die Wette wohl abgeblasen war, und kehrte zu seiner Mahlzeit zurück.
    Semjon stand auf, verabschiedete sich und ging leichten Schrittes auf die Tür zu, so als wäre nichts gewesen. Doch je mehr er sich dem Kammerdiener näherte, desto schneller raste sein Blut.
    Wer immer der Mann auch war, er hatte seine Hände auf Angelica gehabt. Der Gedanke machte Semjon unglaublich zornig. Der Mann, der da Whiskey in sich hineinschüttete, war viel zu ungestalt und grob, als dass sie aus freien Stücken mit ihm gegangen wäre. Bei welchem Gentleman er wohl in Diensten stand?
    Er wusste, dass sie in der Nähe war. Ganz in der Nähe. Plötzlich öffnete sich die Tür der Taverne, und Semjon nutzte die Gelegenheit, sich an einem weiteren eintreffenden Arbeiter vorbei ins Freie zu drücken.
    Draußen hatte er einen guten Blick darauf, was noch von dem offenen Feld übrig war, das die viel zu neu aussehenden Häuser umgab. Die Straße war ein trüber Anblick und sah eigentlich eher aus wie das Bühnenbild einer Provinzposse. Längst nicht alle Häuser waren schon mit Fensterglas versehen, sodass der Wind mit klagenden Geräuschen durch die Öffnungen pfiff.
    Semjons Blick wanderte zu dem Gebäude in der Mitte, das nicht nur Fenster, sondern sogar Vorhänge hatte. Wieso wohl? Außer den Männern, die hier arbeiteten, schien es keinerlei Nachbarn zu geben, die eventuell herumschnüffeln könnten. Dies war der perfekte Ort, um jemanden …
    Zu verstecken.
    Und wieder gewannen seine Instinkte die Oberhand. Sein ganzer Körper dröhnte und schien die Präsenz der Frau zu spüren, nach der er suchte. Semjon berührte das Stück Papier in seiner Manteltasche – seine einzige physische Verbindung zu Angelica.
    Der Papierfetzen war warm. Aber schließlich hatte er auch die ganze Zeit in seiner Tasche gesteckt und war von seinem Körper gewärmt worden. Semjon ging weiter, um irgendwie einen Blick auf die Rückseite des Hauses mit den Vorhängen erhaschen zu können. Seine Stiefel schlurften über den Schmutz der ungepflasterten Straßen, und er war überaus dankbar, dass es nicht regnete. Regen hätte die Straße sofort in einen schlammigen Strom verwandelt.
    Plötzlich hörte er das Holpern einer Pferdekutsche hinter sich. Es war leiser als gewöhnlich, denn die Räder rollten über schmutzigen Sand und nicht über Kopfsteinpflaster. Die Kutsche blieb direkt vor dem Haus mit den Vorhängen stehen.
    Einer der Vorhänge bewegte sich, und für den Bruchteil einer Sekunde konnte er dahinter Angelica ausmachen. Semjon war wie vom Blitz getroffen und konnte sich gerade noch zurückhalten, ihren Namen zu rufen. Er sah den ängstlichen Ausdruck auf ihrem Gesicht, als die junge Frau in den Raum zurücktrat und aus seinem Blickfeld verschwand.
    Doch plötzlich erregte eine weitere Bewegung seine Aufmerksamkeit – diesmal auf der Straße. Der sogenannte Kammerdiener kehrte aus der Taverne zurück. Semjon drückte sich gegen eine halbfertige Mauer, um zu beobachten, wie der kräftige Mann das Haus betrat, in dem sich Angelica aufhielt.
    Keine Minute später verließ ein anderer Mann das Haus. Er war groß und kräftig, trug polierte Stiefel und war auch ansonsten wie ein Gentleman gekleidet.
    Semjon wurde sofort von einem erneuten Anflug der Eifersucht gepackt. War sie etwa mitten in der Nacht mit diesem Lackaffen durchgebrannt?
    Doch selbst wenn es so wäre, es ginge ihn nichts an, sagte er sich. Und wenn der Knabe ungebunden sein sollte, tat sie vielleicht besser daran, ihre Zeit mit ihm statt mit einem verheirateten Wüstling wie Congreve zu verbringen. Sie zu verurteilen, dazu hatte Semjon kein Recht. Schließlich galten sowohl er als auch all seine Brüder ebenfalls als Außenseiter. Sie verkehrten in erster Linie mit frei denkenden Frauen, die einen gewissen Ruf hatten, und verschmähten die unschuldigen Mädchen, die nur auf der Suche nach einem Ehemann

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