Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)
wie ich dich gerettet habe. Aber lass mich erst zu Ende bringen, was ich sagen wollte.»
«Dann sag es schon.»
Seine Augen waren freundlich und die Stimme tief. «In der kurzen Zeit, die wir zusammen verbringen, wenn wir uns miteinander vergnügen oder uns lieben – in dieser Zeit ist die Traurigkeit in deinen Augen verschwunden. Aber sie kommt immer wieder.»
«Anders ist es wohl kaum zu erwarten.»
«Wenn es nach mir ginge, Angelica, würde ich sie für immer verschwinden lassen.»
Die junge Frau setzte sich so hin, dass sie ihn nicht direkt anblicken musste. «Für immer? Nichts ist für immer. Und Glück schon gar nicht.»
«Mein Liebling …»
«Semjon, ich bin überaus dankbar für das, was du für mich getan hast, aber bitte zwing mich nicht, dir alles über mich zu verraten!», brach es aus ihr heraus. «Denn das kann ich nicht!»
Semjon schwieg eine Weile. «Aber ich muss der Sache weiter nachgehen. Ich kann nicht für deine Sicherheit garantieren, wenn ich nicht mehr über dich in Erfahrung bringen kann. Und du musst mir sagen …» Ein Zögern. «Du musst mir sagen, ob du dieses Haus verlassen hast. Ich habe zufälligerweise einen Blick auf die Sohlen deiner Schuhe geworfen, die du gestern abgelegt hast. Die neuen Schuhe, die ich für dich gekauft hatte.»
«Ja», erwiderte sie mit leiser Stimme. «Ich war draußen. Ich ertrug es einfach nicht mehr, hier drinzusitzen. Aber ich habe mein Gesicht sorgfältig bedeckt.» Sie zeigte mit einem Nicken auf das graue Schultertuch, das über dem Stuhl hing. «Damit. Ich sah etwas merkwürdig aus, sicher. Aber nicht mal ein Mitglied meiner eigenen Familie hätte mich erkannt.»
«Und wohin bist du gegangen?»
«Ich bin durch Mayfair gelaufen. Und als ich müde wurde, ruhte ich mich ein wenig auf einer Bank abseits der großen Straßen aus.»
Er warf einen Blick auf das Schultertuch. «Und niemand hat dich angestarrt? Das kann ich mir gar nicht vorstellen, mit einem Tuch um deinen Kopf gewickelt.»
«Es war kalt», entgegnete sie abwehrend. «Ich habe mich vorher selbst im Spiegel betrachtet, um sicherzugehen, dass mein Gesicht gut verborgen war. Ich fand, dass ich wie eine … wie eine Nonne aussah. Lächerlich, ich weiß. Aber ich musste einfach mal eine Weile ins Freie.»
«Das verstehe ich», sagte er ernst, trat jetzt ganz in den Raum, setzte sich aber nicht hin.
Angelica schaute wehmütig zu ihm. «Geh nicht zu hart mit mir ins Gericht, Semjon.»
«Das werde ich niemals tun. Obwohl ich immer noch genauso wenig über dich weiß wie zuvor. Aber ich nehme an, das wirst du ändern, wenn du dazu bereit bist», seufzte er.
Angelica klopfte auf das Sofakissen. «Tut mir leid, dass es mir im Moment nicht möglich ist. Aber jetzt, wo wir in gewisser Weise ein Liebespaar sind, sollten wir uns in unserer gemeinsamen Zeit nicht wie Fremde benehmen. Deine Gegenwart ist überaus tröstlich für mich.»
Er hob die Augenbrauen und warf ihr einen fragenden Blick zu – fast, als würde er den Wahrheitsgehalt ihrer Bemerkung innerlich abschätzen. «Gut. Das ist ein Anfang.» Dann setzte er sich neben sie, ohne sie auch nur ansatzweise zu berühren. «Und jetzt werde ich deine Fragen beantworten, wenn ich darf.»
«Danke, Semjon», sagte sie fast unhörbar.
«Wie gesagt, ich kehrte in der Hoffnung in das Haus der Congreves zurück, erneut mit dir sprechen zu können. Ich wurde allerdings von deiner Herrin abgepasst.»
Angelica runzelte missbilligend die Stirn, und Semjon sah sie fragend an.
«Ich nehme an, dass du sie nicht besonders mochtest.»
«Niemand mag sie. Nicht mal ihr Ehemann.»
«Wieso?»
Ihr Blick wanderte nach unten. «Mrs. Congreve ist mürrisch und herrschsüchtig.»
«Und Mr. Congreve?»
«Der ist schon recht freundlich», antwortete sie knapp. «Aber er stellt ständig anderen Frauen nach.»
«Dir auch?»
Sie lächelte schwach. «Nicht lange. Aber seine Frau glaubte, dass er es auf mich abgesehen und ich ihn dazu ermutigt hätte. Aber das stimmte nicht. Dennoch wurde ich aus diesem Grund von der Zofe zum Dienstmädchen in der Küche degradiert.»
«Nicht ganz. Dazu warst du wohl zu hübsch. Ich nehme an, deshalb übertrug man dir die Aufgabe, dich um die Garderobe zu kümmern. Lady Nobel und Lady Zobel würden nämlich sicher nicht wollen, dass ihre prächtigen Gewänder von einer Küchenmagd mit schmutzigen Fingernägeln betatscht werden.»
«Sicher nicht.» Sie musste fast lachen, doch Semjon erkannte deutlich, dass die
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