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Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)

Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)

Titel: Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Mack
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schwer.
    Wo war er jetzt? Sie hatte ihn nicht an dem Tisch sitzen sehen. Und auch wenn er mit dem Rücken zu ihr saß, würde sie ihn doch erkennen.
    Angelica stand auf der Treppe und klammerte sich am Treppengeländer fest. Ihr war ganz schwindelig. Plötzlich hörte sie ein Stühlerücken und das unangenehme Geräusch von Körpern, die sich schwerfällig erhoben.
    Es waren Trinksprüche zu hören, und man stieß auf die Gesundheit an. In Englisch. In Russisch.
    Angelica wagte kaum, sich zu bewegen.
    Sie ging rückwärts die Treppe hinauf, den Blick fest nach vorn gerichtet.
    Wenn ein Wolf … oder ein Wolfsmann … sie anspringen würde, wollte sie doch wenigstens sein Gesicht sehen.
    Schritt für Schritt. Hinauf. Zurück.
    Und wenn dieser, und wenn dieser Wolfsmann nun Semjon Taruskin sein würde? , fragte sie sich.
    Da schien das Monster, das sie aus dem Haus der Congreves entführt hatte, im Vergleich geradezu gewöhnlich zu sein. Immerhin hatte man in ihm noch den Menschen erkannt.
    Doch sie rief sich in Erinnerung, dass Semjon ihr bisher nicht das geringste Leid angetan, ja ihr sogar geschworen hatte, das niemals zu tun. Und außerdem hatte er sich ihr gegenüber im höchsten Maße loyal gezeigt.
    Fangzähne. Fell. Pfoten. Hatte er … Könnte er … Hatte sie gesehen, dass er … Nein, er besaß keines dieser Attribute.
    Ein plötzliches Klopfen an der großen Eingangstür sorgte dafür, dass Angelica sich im Schatten der Treppe verbarg. Wer immer da geklopft hatte, er wiederholte seine Bitte um Einlass, bis sie schließlich einen älteren und ganz und gar menschlichen Mann über den Marmorfußboden zur Tür eilen sah.
    Draußen stand ein dick gegen die Kälte eingemummelter Mann, der leise das Wort an den Älteren richtete. Angelica gab sich alle Mühe, trotz des fortlaufenden Feierlärms, der durch den hohen Saal dröhnte, etwas von dem Gespräch mitzubekommen.
    Die plumpe Gestalt des Besuchers kam ihr irgendwie bekannt vor. Und auch die tiefe Stimme meinte sie schon einmal gehört zu haben.
    Es traf sie wie ein Blitz. Das war der Mann, der ihr die vergiftete Rose gegeben hatte. Ein Mann, den sie für einen Gast der Congreves gehalten hatte. Ein Mann, der sich wie Semjon verirrt zu haben schien.
    Wie erstarrt beobachtete sie, wie er dem älteren Mann eine carte de visite reichte, konnte aber nicht verstehen, an wen diese Karte überreicht werden sollte.
    Dann murmelte der ältere Mann einen Gutenachtgruß und schloss die Tür. Er warf noch einen kurzen Blick auf die Karte und legte sie dann auf ein Silbertablett, das auf einer Anrichte in der Eingangshalle lag.
    Als er in den Saal zurückkehrte, hörte sie wüstes Brüllen am Tisch. «Iwan! Komm und trink mit uns!»
    Der Mann schien abzulehnen, denn er kam schon kurz darauf wieder in die Eingangshalle zurück. Und zwar mit … Semjon.
    Angelica hielt den Atem an, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie wagte kaum, ihn anzusehen. Doch auf den ersten Blick wirkte er wie ein Mann.
    Ihre Augen wanderten unruhig über die gesamte Länge seines Körpers, doch ihr fiel nichts Ungewöhnliches auf. Das Haar auf seinem Kopf war vielleicht etwas zersauster als sonst. Und – sie lugte durch die Schatten, in denen sie sich verbarg – sein Barbier würde seinen Nacken in Bälde sorgfältig rasieren müssen, denn er war mittlerweile doch recht dicht bewachsen …
    Angelica presste eine Hand fest auf ihr Herz, sonst wäre es ihr wohl aus dem Leib gesprungen.
    Er war einer von ihnen. Es konnte gar nicht anders sein.
    Und doch beschwichtigte sie der Klang der tiefen Stimme, in der er zu Iwan sprach. Sie war ebenso beruhigend, als erklänge sie vom Kissen neben ihr und auch so gutmeinend wie zuvor beim gemeinsamen Frühstück.
    «Wer hat die Karte abgegeben?»
    «Er hat seinen Namen nicht genannt», erwiderte Iwan.
    «Haben Sie ihn denn danach gefragt, Iwan?»
    «Ja, selbstverständlich.» Der ältere Mann schien geradezu gekränkt. «Aber er hat nur mit dem Kopf geschüttelt und gesagt, ich solle Ihnen diese Karte geben.»
    «Aber auf dieser Karte ist nichts eingeprägt», stellte Semjon fest, nachdem er sie mehrmals gedreht hatte. «Ah, aber hier.»
    «Diese Initialen hat er daraufgeschrieben. S. S.»
    Semjon seufzte frustriert auf. «Hat er sonst noch irgendwas gesagt?»
    «Dass Ihr Euch mit diesem Gentleman – nicht ihm, sondern jenem S. S. – in der St. Paul’s Cathedral treffen sollt. Unter der Kuppel. Genau in der Mitte.»
    «Wie seltsam»,

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