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Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)

Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)

Titel: Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noelle Mack
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schweigen. Also kroch sie.
    Ihre Röcke behinderten sie. Aber wenigstens waren sie durch die Zeit in diesem Keller so feucht, dass sie nicht raschelten. Ihr wurde klar, dass sie wohl schon eine ganze Weile hier unten zugebracht haben musste.
    Selbst das Kriechen erforderte schnell eine Pause, und sie musste sich fast keuchend ausruhen. Doch sie musste weiter. Und als sie um eine alte Steinsäule gekrochen war, da sah sie sie schließlich.
    Semjon war an die Wand gekettet. Neben ihm lag Antoscha – ganz offensichtlich verletzt.
    Semjons wagemutige gelbe Augen leuchteten in der Dunkelheit des Kellers. Er war jetzt vollständig zum Wolf geworden. Aber das Eisenband um seinen Hals war ihm angelegt worden, als er noch Mensch war, und schnitt jetzt auf grausame Weise in seinen Hals. Das wunderschöne Nackenfell war blutbefleckt.
    Voller Schrecken erkannte Angelica, dass er mit ihr sprach. Aber nicht im menschlichen Sinn. Es gelang ihm lediglich, die direkte, aber stumme Kommunikation einzusetzen, die ihm als denkendem Tier eigen war.
    Ich kann mich nicht bewegen, Angelica. Die Kette ist zu kurz.
    «Ich helfe dir», flüsterte sie.
    Deine Hände können das Eisen nicht brechen. Aber bring mir Wasser. Es ist schon einige Zeit her, dass ich etwas bekommen habe. Du wurdest von einer Frau gefüttert.
    Angelica wischte die heißen Tränen weg, die über ihr Gesicht rannen. Immer noch kriechend, fand sie schließlich einen Eimer und ein offenes Fässchen mit Wasser, von dem sie inständig hoffte, dass es sauber war. Sie probierte davon, und es schien in Ordnung.
    Als sie den Eimer mit Wasser gefüllt hatte, stellte sie ihn so vor Semjon hin, dass er es auflecken konnte. Es war zwar nicht einfach, doch irgendwie gelang es ihm.
    Plötzlich überkam sie eine furchtbare Erkenntnis: Wäre sie nicht aufgewacht, wäre er vielleicht gestorben.
    Hol noch einen Eimer.
    «Mehr Wasser?»
    Nein!
    Seine Augen und die leichte Spannung seines Bauches über den Hinterpfoten verrieten ihr, was für ein Bedürfnis er hatte.
    Angelica fand zwar keinen Eimer, aber einen großen Porzellankrug mit gesprungenem Rand, den sie schließlich über seinen Penis stülpte. Semjon schloss die Augen, während sein Urin sich plätschernd in das Gefäß ergoss.
    Ahhh. Ich war schon kurz vorm Platzen. Hätte ich es nicht zurückgehalten, hätte ich in der Pfütze gesessen, bis mein Fell durchnässt und meine Haut wund gewesen wäre. Ich danke dir.
    Was er wohl sonst noch zu erleiden gehabt hatte? Als Angelica den Krug fortnahm und sein Organ mit ihrem Rock sauber tupfte, schämte sie sich fast, nicht mehr für ihn tun zu können.
    Als Nächstes schaute sie sich um, wo sie das Gefäß wohl ausleeren konnte. Vorsichtig schob sie den Krug vor sich her, bis sie vor dem größten der Weinfässer kauerte, und zog sich dann am Zapfen hoch.
    Irgendjemand hatte offensichtlich vor kurzem etwas Wein abgezapft und den Korken nur sehr lose wieder in das Loch gesteckt. Sie zog ihn heraus, hob den Krug an und goss den warmen Urin in das Weinfass.
    Wenn Sin auf ihren Tod anstoßen wollte, würde er jetzt hoffentlich gleich am ersten Glas ersticken.
    Angelica ließ sich wieder zu Boden sinken und kehrte zu Semjon zurück. In seinen stoischen Augen war die Spur eines Lächelns zu erkennen. Aber eben auch nur eine Spur ….
    «Bist du sonst noch irgendwo verletzt?», fragte sie flüsternd. «Außer dort, wo das Eisenband sitzt?»
    Nur dort, wo man mich mit einer noch schwereren Kette geschlagen hat. Aber ich glaube, Antoscha hat einen gebrochenen Arm. Er ist von dem Schmerz ohnmächtig geworden.
    Angelica kroch zu dem kleinen Mann, der zusammengerollt auf dem Boden lag, und nahm ihm die Brille ab, damit sie ihm nicht ins Gesicht schnitt.
    «Was kann ich für ihn tun?»
    Im Moment nichts. Ich glaube, Sin ist sturzbetrunken. Ich habe vor Stunden gehört, wie da oben ein Gelage stattfand.
    «Ich werde ihn umbringen», erklärte Angelica. Sie versuchte erneut, sich aufzurichten, brach aber wieder zusammen.
    Dazu bist du nicht stark genug.
    «Dann muss ich einen Weg finden, um dich zu befreien.» Die modrige, stinkende Luft im Keller fühlte sich wie Gift an, und sie rang schluchzend nach Luft.
    Befrei dich zuerst selbst. Flüchte.
    Das würde sie ganz sicher nicht tun. Schließlich war das hier alles ganz und gar ihre Schuld. Sie sah Semjon an. Er saß auf seinen kräftigen Hinterbeinen. Sein Nackenfell war vor stolzer Wildheit aufgestellt und sein Körper völlig

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