Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)
und steuerte auf die Treppe zu. «Ich nehme an, ich werde dich wohl begleiten müssen?»
Und schon am nächsten Tag war man in einem anderen Haus untergekommen. Es war schäbiger und in einer ganz und gar unauffälligen Gegend. Um auf der sicheren Seite zu sein, hatte man die drei betäubten Gefangenen erneut geknebelt und gefesselt. Und eigentlich waren sie das Einzige, was Sin aus seiner alten Unterkunft mitgenommen hatte.
«Wessen Haus ist das hier?», erkundigte sich Victor mit halbherzigem Interesse. Es war schon spät.
«Das Haus der Frau, die meine geheimen Mittel mischt», erklärte Sin, um dann mit lautem Klirren einen Ständer mit Phiolen beiseitezuschieben. Dabei zerbrach eins der Fläschchen auf der Tischplatte, und der Inhalt verströmte noch eher im Raum, als Sin sein Whiskeyglas abstellen konnte. «Sie war mir einen Gefallen schuldig.»
Der Geruch aus der zerbrochenen Phiole brachte Victor zum Husten. «Was war denn da drin?»
«Wer weiß? Das war das einzige Fläschchen ohne Beschriftung.» Sin griff nach einer Scherbe, schnitt sich prompt in den Finger und fluchte. Dann nahm er einen Putzlumpen und warf ihn auf die sich ausbreitende Flüssigkeit, bevor sie zu Boden tropfte. «Ich werde kräftigere Mischungen brauchen, um Semjon in den Griff zu bekommen. Er hat die Stärke eines Tieres.»
«Sagtest du nicht, dass die Taruskins seltsames Blut haben?»
«Ja», antwortete Sin und blickte dabei Hinch an. «Aber vergossen werden kann es dennoch.»
Er zog einen Stuhl an den Tisch, auf dem die Phiolen gestanden hatten.
«Ich nehme an, ich sollte wohl mal einen Blick auf diese Fläschchen hier werfen. Vielleicht ist ja eins davon geeignet.»
«Die Prügel, die sie bezogen haben, sollte eigentlich reichen», meinte Victor.
«Mag sein», sagte Sin abwesend. «Deine Stiefschwester habe ich verschont. Kein Veilchen und auch keine nennenswerten blauen Flecken. Sie hat so herrlich weiße Haut.»
«Ja.»
Sin summte vor sich hin, während er die Phiolen mit Beschriftung einer genaueren Untersuchung unterzog. «Ah», meldete er sich schließlich befriedigt. «Das hier könnte Interessantes verheißen.» Er hielt das Fläschchen in die Höhe und zeigte es Victor. «Das vergrößert das männliche Organ. Ich habe für unsere nächste Orgie etwas überaus Amüsantes mit Semjon vor. Und das hier könnte dabei helfen. Wenn er nicht vorher an Priapismus stirbt.»
«Und was ist das, bitte schön?»
Sin zwinkerte nur und warf seinem Geschäftspartner ein schmutziges Lächeln zu.
Angelica hatte große Mühe, in eine halbwegs sitzende Position zu kommen. Dabei berührten ihre Hände den kalten, sandigen Fußboden. Sie blinzelte und versuchte irgendwie zu erkennen, was sie sah.
Gestapelte Wein- und Sherryfässer, ein wildes Durcheinander entsorgter Möbelstücke, die bereits mit übel riechendem Schimmel bedeckt waren, und mit Erde gefüllte Kisten für Gemüse, die fast ebenso schlimm stanken.
Als sie plötzlich das leise Klirren einer Kette hörte, sah sie zu ihren Knöcheln. Angelica hatte Sorge, schon jedes Gefühl in den Füßen verloren zu haben, und ließ ihre Hände reibend über ihre Beine wandern.
Doch an ihren Knöcheln fanden sich weder eine Eisenmanschette noch eine Kette. Aus irgendeinem Grund war sie frei.
Frei, aber auch unendlich schwach. Sie erblickte eine Schüssel voll geronnener Milch, in der zur Hälfte ein Lumpen hing. Die andere Hälfte des nassen Stoffstückes hing aus der Schüssel heraus, sodass es den schmutzigen Boden berührte. Der säuerliche Gestank brachte Angelica zum Würgen. Als sie eine Hand über den Mund legte, spürte sie eine Verkrustung um ihre Lippen. Sie wischte die Finger an ihrem Rock ab, führte einen an ihre Zunge und betupfte damit die verkrustete Stelle. Dann roch sie an dem, was sie abgewischt hatte.
Getrocknete Milch. Irgendjemand hatte sie mit dem Lumpen gefüttert und ihn dazu höchstwahrscheinlich in ihren Mund gestopft. Sie hatte wohl daran saugen müssen, weil sie nicht essen konnte.
Dieser Jemand wollte sie am Leben halten. Aber aus welchem Grund?
Als sie erneut das schwache Klirren einer Kette hörte, spitzte sie die Ohren. Ob sie die einzige Gefangene hier war?
Sollte Semjon auch hier sein, würde sie es nicht wagen, nach ihm zu rufen oder seinen Namen auch nur zu flüstern. Jedes Geräusch würde sicher einen Wächter alarmieren.
Angelica versuchte aufzustehen, erkannte aber schnell, dass sie dazu einfach zu schwach war. Vom Gehen ganz zu
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