Die Leidenschaft der Wölfe (German Edition)
drei anderen Anwesenden.
«Wie ich sehe, ist dieser Teil ansehnlich und appetitlich rund geblieben», stellte er lachend fest. «Hast du sie auch schön abgeschrubbt, Lucy?»
«Ja, Sir. Vorne und hinten», bestätigte diese bedächtig. «Sie hat sich ein wenig gesträubt, aber mit diesem groben Waschlappen bin ich überall hineingekommen. Sie ist ganz sauber.»
«Gut gemacht.» Sin ließ ganz plötzlich von ihrem Haar und ihrem Leib ab. Angelica zitterte. Sie hatte jetzt nur noch ihre Haare, um sich zu bedecken, und die waren bei weitem nicht lang genug. Sollte sie versuchen, sich mit den Händen vor Blicken zu schützen, würde Sin das sicher zu verhindern wissen. Und wenn nicht er, dann sicher eins der Dienstmädchen.
«Danke schön», sagte Lucy.
«Ihr ist kalt. Wickelt sie ein. In einen Morgenmantel oder ein Flanellhemd, ist mir gleich. Wenn sie sich nicht aufwärmt, wird sie sich anfühlen wie etwas vom Fischstand auf dem Markt.»
Seine Worte überraschten die junge Frau zwar ein wenig, aber sie wusste genau, dass er sie nicht aus Freundlichkeit heraus gesagt hatte. Sie war einfach nur sein Besitz – nichts weiter.
Ein Besitz, den er dem Höchstbietenden zum Verkauf anbieten würde.
«Die Tür hast du doch wohl abgeschlossen, oder?» Sin schaufelte gerade sein Essen in den Mund und sprach dabei mit Lucy.
«Ja, und ich habe sie in der Obhut eines der Dienstmädchen gelassen», erwiderte die ältere Frau. «Angelica hat zwar keine Kleider mehr, aber ich würde es ihr durchaus zutrauen, dass sie ein Fenster einschlägt und das Regenrohr runterrutscht.»
«Du denkst wirklich an alles.» Er leerte seinen Teller und tunkte mit einem Stückchen Brot die Reste des Fettes auf. Victor schaute mit angewidertem Blick an die Decke. Die Beule an seinem Kopf war zwar kaum mehr auszumachen, schmerzte aber immer noch leicht.
«Und Victor? Meinst du, du steckst es weg, dabei zuzusehen, wie deine Stiefschwester versteigert wird?»
Als der jüngere Mann vom Tisch aufstand, war eindeutig zu sehen, dass er sich nicht wohlfühlte. «Nein, Sin. Kannst du mir das nicht ersparen?»
Sin brach in ein prustendes Gelächter aus – den fettigen Brotbrocken in die Backe gepresst. «Aber sicher. Du kannst dich stattdessen um die Umhänge und Mäntel kümmern. Eigentlich sollte Hinch das übernehmen, aber ich glaube nicht, dass die feinen Damen ihm trauen würden. Du hingegen bist sehr gut darin, die Leute zu imitieren, die über dir stehen.»
Victors Blick wanderte umher, blieb aber nicht an Sin, sondern in Richtung Keller hängen. Er wusste, dass Semjon und Antoscha dort unten langsam verendeten. Aber er lehnte es rundheraus ab, hinunterzugehen und einen Blick auf sie zu werfen – auch wenn Sin ihn noch so oft dazu aufforderte.
Dennoch machte er sich Gedanken über sie und hatte eigentlich schon damit gerechnet, dass der gesamte Klan durch die Tür stürmen würde, um ihren Verwandten mit vorgehaltener Pistole zu retten. Victor seufzte und rieb sich die Augen. Seit dem von Angelica angeführten Übergriff und seiner schrecklichen Gefangenschaft in dem Leinensack hatte er nicht geschlafen. Er war Sin dankbar, dass er ihn aus diesem Martyrium befreit hatte.
Sin wollte ihm nicht verraten, wer von den Beteiligten des Kampfes im Innenhof des Gasthauses überlebt hatte, aber Victor befürchtete, dass es auf jeden Fall zu viele Zeugen gegeben hatte. Irgendjemand hatte sie sicher bei der Polizei denunziert – auch wenn meilenweit kein Wachtmeister zu sehen gewesen war. Dennoch war es sehr gut möglich, dass die Angelegenheit bereits einem Richter zugetragen und längst ein Verfahren gegen sie angestrengt worden war.
Wieso dachte Sin nur nie an derartige Dinge? Zuhälterei und Kuppelei störten den Frieden nicht. Aber Schlägereien und Mord waren keine Vergehen, die von den Behörden einfach so übersehen wurden. Ob es wohl tatsächlich einen Mord gegeben hatte?
Victor wusste nur zu gut, dass Sins Kontakte beim Gerichtshof und seine Verbindungen zur Regierung ihn schon mehrfach vor einer Verurteilung bewahrt hatten. Aber schließlich konnte auch er nicht immer Glück haben. Was für ein Jammer, dass Victor sich mit einem teuflischen Trinker zusammengetan hatte, der seine besten Tage schon hinter sich hatte.
Sins ständig größer werdender Appetit nach Lasterhaftigkeit hatte ihr gemeinsames Kapital bereits fast aufgebraucht. Da der ältere Mann die Dirnen selbst ausprobierte, bevor er sie anbot, und ihnen auch neue
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