Die Lennox-Falle - Roman
richtig.«
»Bleib dort. Ich werde jetzt nach Hause fahren, mit einigen anderen Verbindung aufnehmen und dich dann wieder anrufen. Es kann über eine Stunde dauern.«
»Das macht nichts. Ruf mich jedenfalls zurück.«
Es vergingen beinahe zwei Stunden, ehe das Telefon im Lutetia klingelte. »Ja?« rief Kröger aufgeregt.
»Etwas höchst Ungewöhnliches ist geschehen. Was du mir gesagt hast, stimmt … es ist katastrophal. Der eine Mann in Paris, der weiß, wo unsere Kameraden untergebracht waren, ist hingegangen, und dort hat es überall von Polizisten gewimmelt.«
»Dann sind sie tatsächlich verschwunden!«
»Noch viel schlimmer. Um vier Uhr siebenunddreißig heute morgen haben sie Verbindung mit unserer Finanzabteilung aufgenommen und mit einer plausiblen, wenn auch unerhörten Geschichte, in der es um Frauen und Strichjungen und Rauschgift und hohe französische Beamte ging, eine riesige Geldsumme angefordert - die natürlich später verifiziert werden sollte.«
»Aber es gab kein Später und auch keine Verifizierung.«
»Richtig. Das sind Feiglinge und Verräter. Wir werden sie bis ans Ende der Welt jagen.«
»Auch wenn ihr sie jagt, wird mir das nichts helfen. Mein Patient befindet sich inzwischen in der kritischen Periode. Was mache ich? Ich muß ihn finden!«
»Darüber haben wir auch gesprochen. Das ist nicht gerade die glücklichste Lösung, aber unserer Ansicht nach hast du keine andere Wahl. Nimm mit Moreau im Deuxième Bureau Verbindung auf. Er weiß über alles Bescheid, was sich in den Kreisen der französischen Abwehr zuträgt.«
»Wie erreiche ich ihn?«
»Weißt du, wie er aussieht?«
»Ich habe Fotografien von ihm gesehen, ja.«
»Es muß im Freien geschehen, keine Telefonate, keine Botschaften, ein einfaches Zusammentreffen auf der Straße oder in einem Café, irgendwo, wo niemand Verdacht schöpfen kann. Sag irgendwas Kurzes, nur ein oder zwei Sätze, und das auf eine Weise, daß nur er es hören kann. Das Wichtige ist, daß du dabei das Wort Bruderschaft gebrauchst.«
»Und was dann?«
»Er wird dich wegschicken, aber gleichzeitig wird er dir sagen, wo du dich mit ihm treffen kannst. Es wird ein Ort irgendwo in
der Öffentlichkeit sein, vermutlich überfüllt und zu einer späten Stunde.«
»Du hast mir doch eingeschärft, ihm gegenüber mißtrauisch zu sein.«
»Das haben wir auch in Betracht gezogen. Aber für den Fall, daß er sich doch nicht als der Sympathisant erweist, der er zu sein behauptet, haben wir ihn in der Hand. Wir haben bis heute über zwanzig Millionen Francs auf sein Schweizer Konto überwiesen und besitzen darüber schriftliche Aufzeichnungen. Wenn diese Aufzeichnungen anonym der französischen Regierung zugespielt würden, von der Presse ganz zu schweigen, wäre das sein Untergang, und er würde auf Jahre ins Gefängnis wandern. Er könnte diese Zahlungen nicht ableugnen. Das kannst du, wenn es nötig sein sollte, einsetzen.«
»Ich werde mich sofort zum Deuxième begeben«, sagte Kröger. »Und morgen ist dann vielleicht Harry Lennox an der Reihe.«
17
C laude Moreau saß in seinem Arbeitszimmer im Deuxième Bureau an seinem Schreibtisch und studierte die entschlüsselte Nachricht von seinem Mann in Bonn. Sie enthielt vorwiegend Ansichten und Meinungen, wenig Fakten und war daher nur bedingt hilfreich.
In seiner gestrigen Sitzung befaßte sich der Bundestag ausführlich mit den überall in Deutschland festzustellenden Naziaktivitäten. Alle Parteien waren sich in ihrer einhelligen Ablehnung rückhaltlos einig. Allerdings berichten meine Gewährsleute, von denen einige regelmäßige Kontakte zu den Führern der linken und rechten Splittergruppen haben, daß dort ziemlicher Zynismus herrscht. Die Liberalen vertrauen den konservativen Beteuerungen nicht, und ein kleiner Kreis im konservativen Lager scheint die eigene Rhetorik nicht ganz ernst zu nehmen. Die führenden Wirtschaftskreise sind natürlich entsetzt, weil sie befürchten, die Nazibewegung werde dazu führen, daß die ausländische Märkte sich ihnen verschließen, zögern aber, die sozialistische Linke zu unterstützen, während sie andererseits nicht wissen, wem sie auf dem rechten Flügel vertrauen sollen.
Moreau lehnte sich in seinem Sessel zurück und konzentrierte sich noch einmal auf den Satz, der ihm besonders aufgefallen war. Ein kleiner Kreis im konservativen Lager scheint die eigene Rhetorik nicht ganz ernst zu nehmen. Wer konkret waren diese Leute? Wie waren ihre Namen? Und warum
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