Die Lennox-Falle - Roman
solche Angriffe geschützt, also legte ich schnell den Rückwärtsgang
ein und dann habe ich sie gerammt und ihren Wagen am Bordstein eingekeilt.«
»Und was dann?« rief Botschafter Courtland, der jetzt ebenfalls aufgestanden war.
»Die beiden Männer sprangen auf der anderen Seite aus dem Wagen und rannten davon. Ich rief mit einigem Herzklopfen die Polizei über mein Autotelefon an und verlangte, daß sie die Sûreté alarmieren.«
»Sie haben wirklich Mumm«, sagte Drew erstaunt mit leiser Stimme. »Sie haben die gerammt, während die auf Sie geschossen haben?«
»Der Wagen war doch gepanzert, da könnten keine Kugeln durchdringen, nicht einmal durchs Glas.«
»Glauben Sie mir, manche schon - Stahlmantelgeschosse beispielsweise.«
»Wirklich?« Bressard wurde blaß. »Es gibt Kugeln, die kugelsicher gepanzerte Wagen durchschlagen können …?«
Der Zusammenhang mit Jodelles Selbstmord und dem anschließenden Zusammentreffen im Hause Villiers am Parc Monceau war nur zu offenkundig. In Verbindung mit dem Angriff auf Lennox erforderte die Situation mehrere Entscheidungen: Bressard und Drew würden ab sofort rund um die Uhr von Beamten des Deuxième Bureau beschützt werden - der Franzose auffällig, Lennox weniger auffällig. Deshalb würde das Zivilfahrzeug des Deuxième Bureau vor Drews Appartementgebäude stehenbleiben, bis er abgelöst würde oder der Amerikaner am Morgen das Haus verließ. Und schließlich würde man unter keinen Umständen zulassen, daß Jean-Pierre Villier, der ebenfalls Polizeischutz bekommen würde, sich in den einschlägigen Vierteln von Paris auf die Suche nach irgend jemandem begab.
»Das werde ich ihm selbst klarmachen«, sagte Claude Moreau. »Villier ist eines der wertvollsten Besitztümer Frankreichs! … Außerdem würde meine Frau mich umbringen, wenn ich nicht verhindern würde, daß ihm etwas passiert.«
Die beunruhigenden Zweifel an der Fahrbereitschaft der Botschaft waren schnell aufgeklärt: Der Einsatzleiter war ein Ersatzmann, den niemand kannte, der aber wegen seiner einwandfreien Zeugnisse für die Nachtschicht eingestellt worden
war. Minuten, nachdem der Wagen mit Lennox sich in Bewegung gesetzt hatte, war er verschwunden. In der Nazibewegung gab es also auch einen französisch sprechender Amerikaner in Paris.
Die frühen Morgenstunden waren mit einer Unzahl von Lagebesprechungen angefüllt gewesen - wobei die Frage mit der größten Priorität die gewesen war, wen man zur Teilnahme zulassen konnte und wen nicht -, und es hatte mehrere längere Telefonate zwischen Moreau und Wesley Sorenson in Washington gegeben. Drew war mit dem, was er hörte, einverstanden. Ebenso wie sein Bruder Harry war er ein Mann schneller Entscheidungen, wenn er auch nicht ganz dessen kalten Intellekt besaß. Moreau und Sorenson andererseits waren Meister der Täuschung, die beide während des Höhepunktes des Kalten Krieges Massaker an Spionen erlebt hatten. Von solchen Männern konnte man etwas lernen.
Lennox verließ schläfrig die Fahrstuhlkabine und ging den Korridor zu seiner Wohnung. Als er den Schlüssel ins Schloß schieben wollte, war er plötzlich wieder hellwach. Da war kein Schloß! An seiner Stelle war nur ein kreisrundes Loch zu sehen; das Schloß selbst war wie vom Skalpell eines Chirurgen entfernt worden, entweder mit einem Laser oder mit einer motorbetriebenen Handsäge. Er tippte die Tür an, worauf diese nach innen schwang und ihm den Blick auf das in der Wohnung herrschende Chaos freigab. Drew riß seine Automatik aus dem Schulterhalfter und trat vorsichtig ein. Seine ganze Wohnung war verwüstet; die Polstermöbel waren aufgeschlitzt, Kissen zerrissen und ihre Füllung verstreut; die Schubladen waren herausgerissen und ihr Inhalt über den Boden verstreut. Dasselbe Bild bot sich in den beiden Schlafzimmern, den begehbaren Wandschränken, der Küche, den Badezimmern und im Arbeitsraum, wo man selbst die Teppiche zerfetzt hatte. Seinen Schreibtisch hatten die Eindringlinge buchstäblich in Stücke gehackt, um nur ja kein Versteck für Geheimpapiere zu übersehen. Die Verwüstung war umfassend; nichts war mehr da, wo es einmal gewesen war. Lennox wollte in seiner Erschöpfung gar nicht daran denken; er brauchte Ruhe; er brauchte jetzt dringend Schlaf. Wie unlogisch das Ganze doch war und welche Verschwendung, dachte er
kurz; vertrauliches Material wurde schließlich in seinem Bürosafe im Obergeschoß der Botschaft verwahrt. Die Feinde des alten Jodelle - jetzt seine
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