Die Leopardin
Gloucesters
Neffe ist, werde ich ihn aus Eurer Obhut entfernen. Ihr könnt Euch ja
bei Graf Ranulf beschweren.« Zu den beiden gaffenden Knappen gewandt,
befahl er: »Bringt den Kranken hinaus!«
»Mylord, ich bin nicht sicher â¦Â«, begann der Wächter zu protestieren.
»Beeilt euch!« fiel William ihm ins Wort und starrte ihn durchdringend an.
Der
Wachtposten senkte den Blick auf den Bauch, der sich über seinem Gürtel
vorwölbte â glücklicherweise nicht über dem gestohlenen. »Also
gut, Mylord â¦Â«
»Und laÃt diese Zelle reinigen.
Hier stinkt es erbärmlich. Sorgt dafür, daà die Gefangenen anständig
behandelt werden. O Gott, warum muà ausgerechnet ich mich
ständig mit Idioten abgeben?« William verdrehte die Augen und verbarg
mühsam seine Erleichterung über die Kapitulation des Wächters.
Renard
schwieg, während er in den Hof von Schloà Lincoln geführt wurde. Es
hatte zu regnen aufgehört, und der klare Himmel brachte noch kälteres
Wetter mit sich. Frost knackte an den Rändern der Pfützen, und in der
eisigen Luft, die nach niedergebrannten Häusern roch, schmerzte das
Atmen.
Wie ein Messer schnitt der Wind durch Renards
dünne Kleidung und in die Wunde am Wangenknochen. Harry stöhnte
fröstelnd, als er zum Wagen geschleift und hineingehoben wurde.
Zwei
von Williams Soldaten eskortierten Renard â Ashdyke-Männer, die er
sofort erkannt hatte. Sein jüngster Bruder stieg auf ein Pferd â
nicht Smotyn, dessen Fell zu auffällig gewesen wäre. Er hatte einen der
Cadwaladr-Soldaten bewogen, ihm seinen kräftigen Braunen für den
Schecken zu geben.
Für Renard hatte er einen Cleveland
beschafft. Die Peitsche knallte über den Rücken der beiden Pferde, die
den Wagen zogen, und die mit Eisen verkleideten Räder begannen polternd
zu rollen. Im dunklen Morgengrauen verwandelte das Fackellicht die
Atemwolken in rote Schleier, spiegelte sich in den glänzenden Körpern
der Hengste, in den Rüstungen. William führte seine kostbare Fracht aus
dem SchloÃ, durch die verwüstete Stadt zur Furt hinab. Das Siegel des
Grafen von Chester öffnete ihm alle Sperren, wenn ihn die Wächter auch
neugierig anstarrten. Doch das kümmerte ihn nicht. Während er über den
aufgewühlten Schlamm des Schlachtfelds ritt, drehte er sich zu einem
seiner Soldaten um und bat ihn, einen Priester zu holen.
An
diesem Morgen schlief Ranulf von Chester sehr lange, nachdem er zuviel
Wein getrunken und sich zu lange im Bett vergnügt hatte. Eigentlich war
es seine Absicht gewesen, diese Nacht mit seiner Frau zu verbringen.
Aber davon hatte ihn seine Geliebte mit neuen, aufregenden Ideen
abgebracht und seine Lust immer wieder gereizt, bis er völlig erschöpft
eingeschlummert war.
Als er erwachte, neigte sich einer
seiner Knappen besorgt über ihn, eine Hand um eine Kerzenflamme gelegt,
damit sie nicht erlosch und kein heiÃes Wachs auf die zerwühlten Laken
tropfte. Olwen war verschwunden, nur der Duft ihres Parfüms hing immer
noch in der Luft. Stöhnend wälzte sich Ranulf auf den Bauch. Sein Kopf
fühlte sich an, als hätte ein Streitroà nach seiner Schläfe getreten.
»Raus mit dir!« murmelte er durch zusammengebissene Zähne.
»Mylord,
Graf Robert hat bereits begonnen, die Gefangenen aus der Stadt zu
entfernen, und möchte Eure Meinung zu einigen Angelegenheiten hören.«
Der Junge unterlieà es, die spitzen Bemerkungen zu wiederholen, die
Gloucester über das widerwärtige, unmoralische Verhalten seines
Schwiegersohns gemacht hatte.
Ranulf drehte sich halb herum und musterte ihn mit einem trüben, rot angelaufenen Auge. »Wie spät ist es?«
»Fast Mittag, Mylord.«
»Unmöglich!«
So schnell es seine pochenden Kopfschmerzen erlaubten, setzte Ranulf
sich auf. Die Fensterläden waren geschlossen, und so lieà sich die
Tageszeit nicht am Stand der Sonne abschätzen.
»Tut mir leid, Mylord, aber es stimmt. Ich habe Euch Brot und Bier vom Frühstück aufgehoben â¦Â«
Beim
Gedanken an Essen und Trinken preÃte Ranulf angeekelt die Lippen
zusammen. Er streckte eine Hand aus. »Gib mir meine Kleider!«
Vorsichtig
stellte der Knappe die Kerze beiseite und sammelte die am Boden
verstreuten Kleidungsstücke ein, darunter ein rotseidenes
Frauenstrumpfband. Ranulf rià ihm sein
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