Die Leopardin
die über das schmutzige Stroh stapften,
waren seitlich mit vergoldeten Figuren von Bogenschützen und Hirschen
geschmückt. Hell funkelten die vergoldeten Silbersporen. Der Mann
strahlte Reichtum und Autorität aus. »Wo ist er?« Eine Hand am
polierten Schwertgriff, die andere am edlen Waffengurt, lieà er seinen
Blick durch die Zelle wandern.
Der Wachtposten, der ihm
gefolgt war, zeigte nervös auf Renard. »Angeblich hat er auf dem
Schlachtfeld wie ein Leopard gekämpft, Mylord. Aber er ist zu schwer
verletzt, und er sorgt sich zu sehr wegen dieses anderen da, um uns
Schwierigkeiten zu machen.«
Renard wandte sich zum
Licht, und im nächsten, höchst gefährlichen Moment erkannte er den
Ritter. Die selten getragene normannische Kriegsrüstung stand William
ausgezeichnet zu Gesicht.
Vor Verblüffung konnte Renard
keinen klaren Gedanken fassen. Obwohl er die Warnung in den Augen
seines jüngsten Bruders las, flüsterte er dessen Namen.
»GroÃer
Gott!« murmelte William. Er hatte erwartet, Renard zerschlagen und
zerschunden vorzufinden. Kaum ein Mann ging unversehrt aus einer
Schlacht hervor. Aber er hatte nicht damit gerechnet, den ältesten
Bruder blutverschmiert zu sehen, mit entzündeter Beule am Kopf und
einer häÃlichen Wunde an der Wange, hager, die Augen glanzlos vor
Erschöpfung.
Der Wächter schaute miÃtrauisch zwischen
den beiden hin und her. Rasch überwand William seinen Schock. Der
Bruder hatte ihn beim Namen genannt, und nun muÃte er seine Rolle
überzeugend spielen, wenn er nicht ebenfalls in diesem Verlies landen
und später am Galgen baumeln wollte. »Als wir uns das letztemal trafen,
sagte ich dir deutlich genug, was geschehen würde, wenn du an Stephens
Seite bleibst!« stieà er hervor und spuckte verächtlich ins Stroh. Dann
winkte er die beiden Knappen herbei, die neben der Tür standen, und sie
zerrten Renard auf die Beine. Er schwankte, wehrte sich aber gegen den
harten Griff.
»Ohne Harry gehe ich nicht.« Er schaute auf die reglose, von Decken verhüllte Gestalt am Boden.
Bestürzt
wandte sich William zu dem Kranken im Stroh. Er kniete nieder, legte
eine Hand auf Harrys Schulter und blickte ihm ins Gesicht. Er liegt im
Sterben, dachte er verzweifelt. Oft genug hatte er Patienten im
Wundfieber gesehen, um zu wissen, daà sein Bruder verloren war.
»Heilige Mutter Gottes«, flüsterte er und wartete, bis er sein
Mienenspiel wieder unter Kontrolle hatte, ehe er aufstand und sich zum
Wächter wandte. »Der Mann braucht einen Priester â keine
Gefängniszelle.«
»Es gibt hier keinen Geistlichen, der die Gefangenen betreuen könnte, Mylord â¦Â«
Bitteres
Gelächter unterbrach den Wachtposten. »Doch, es gibt einen«,
widersprach Ingelram von Say, »aber der macht sich hier unten nicht die
Sandalen schmutzig. Schon zwei Männer muÃten ohne kirchlichen Trost
sterben. Wahrscheinlich vergnügt sich der Priester lieber mit seiner
Hure und einer Karaffe vom besten Anjou.«
Der Wächter
hob seine Keule, um ihn zum Schweigen zu bringen, aber William trat
dazwischen. »Wenn das stimmt â wenn Ihr diesen Männern tatsächlich
den geistlichen Segen verwehrt habt, soll Eure eigene Seele im ewigen
Höllenfeuer schmoren.«
»O ja, es stimmt«, bestätigte
Renard heiser. Seine Augen, kalt wie die steinernen Mauern des
Verlieses, schienen den Wachtposten zu durchbohren. »Und Leichen
brauchen keinen Schmuck, was? Es wäre doch jammerschade gewesen,
Stephens Knappen mit dem schönen vergoldeten Schwertgurt zu begraben.
Und was werdet Ihr mit dem Ring meines Bruders machen? Wollt ihr ihm
den Daumen abschneiden, noch ehe er erkaltet ist? Enttäusche ich Euch
sehr, weil ich diese Zelle lebend verlasse?«
»Das ist
eine Lüge!« Der Wächter schob das Kinn vor, aber es war nicht der
Fackelschein, der sein Gesicht so bleich wirken lieÃ. »Ich habe den
Gurt nicht genommen, und es ist nicht meine Schuld, wenn der Priester
den Gefangenen keinen Beistand leistet.«
William
erkannte, daà Renard ihm mit der Behauptung, der Wachtposten würde die
Toten bestehlen, einen ausgezeichneten Vorwand geliefert hatte, auch
Harry aus dem Verlies zu holen â ob er nun eine entsprechende
Order besaà oder nicht. »Die Zeit wird knapp. Da Ihr diesem Mann keinen
priesterlichen Segen garantieren könnt und da er Robert von
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