Die Leopardin
kurz erwähnt und mit einer
ausdrucksvollen Miene mehr verraten als mit seinen Worten. Nun
überlegte sie, wie sie die Situation meistern sollte.
Vor
seinem Aufbruch in die Levante hatte Renard nur flüchtige Beziehungen
zu Frauen gepflegt. Am engsten war er mit Roslind verbunden gewesen,
der Tochter des Falkners, die ihm eine Tochter geboren hatte. Im Sommer
vor seiner Abreise war das kleine Mädchen am Fleckfieber gestorben.
Später hatte Roslind den Hufschmiedgesellen geheiratet, mit dem sie
eine gute Ehe führte. Renard schien einen exotischeren Geschmack
entwickelt zu haben. Und da er diese Blondine aus Antiochia mitgebracht
hatte, war die Beziehung keineswegs nur flüchtig.
»Renards
Manieren dürften sich in den letzten vier Jahren verschlechtert haben«,
sagte Judith mit durchdringender Stimme zu dem Mädchen. »Offenbar
müssen wir uns selber miteinander bekannt machen.«
Zu
spät fuhr Renard herum. Die beiden Frauen schauten ihn erwartungsvoll
an, und er spürte, wie er unter der Sonnenbräune errötete. Verlegen
räusperte er sich. »Mama, das ist Olwen. Sie hat uns von Antiochia
hierher begleitet. Ihr Vater stammte aus der Gegend von Ruthin, nahm
gemeinsam mit Herzog Robert das Kreuz und lieà sich in Syrien nieder.
Und jetzt â¦Â« Zögernd unterbrach er sich.
»Jetzt
bin ich deine Geliebte«, ergänzte Olwen mit honigsüÃer Stimme, dann
runzelte sie in gespielter Sorge die Stirn. »Das wolltest du doch
sagen, oder?«
Er warf ihr einen zornigen Blick zu, und
seine Lippen formten ein lautloses, keineswegs liebevolles Wort. Guyon
sah seine Frau wie erstarrt dastehen, spürte die Spannung, die zwischen
seinem Sohn und dem Mädchen knisterte und die Luft zu entzünden drohte.
Rasch trat er vor, ehe die Funken fliegen konnten. »Seid willkommen,
meine Liebe!« Lächelnd gab er Olwen einen BegrüÃungskuà und schaute
Renard bedeutsam an. »Für alles andere bleibt uns später immer noch
Zeit. Diesen Tag wollen wir feiern.«
S IEBTES K APITEL
Der
Morgen graute, als Judith ihren Sohn am groÃen Küchentisch sitzen sah,
in der rechten Hand einen Becher Milch, in der linken ein Stück
Roggenbrot mit einer dicken Scheibe Pökelfleisch.
»Offensichtlich
haben die Jahre deinen Appetit nicht gemäÃigt.« Sie holte sich einen
Becher und nahm bei Renard Platz. »Eigentlich müÃtest du wie ein
Mastschwein aussehen.«
Empört zerrte er sein Hemd hoch,
um ihr seinen flachen, muskulösen Bauch zu zeigen. »Schau doch, ob du
auch nur eine Unze überschüssiges Fett an mir findest! Während der
viermonatigen Reise vergönnten wir uns nur Pilgerrationen, und wir
beeilten uns dermaÃen, daà wir kaum zum Essen kamen.« Er zog das Hemd
wieder hinunter und fuhr heiÃhungrig fort, sein Brot mit Pökelfleisch
zu verschlingen.
Judith ergriff den Krug, der auf dem
Tisch stand, und schenkte sich Milch ein. »Und die Reise war so
beschwerlich, daà deine Gefährtin eine Fehlgeburt erlitt und dein Kind
verlor â¦Â« Deutlich verriet ihr bissiger Tonfall die MiÃbilligung,
die sie nicht verhehlte, seit sie beim Abendessen Olwens Geschichte
gehört hatte.
Da er mit seinem übervollen Mund nicht
manierlich antworten konnte, nutzte er den Zeitgewinn, um seine
Verteidigungsbastionen zu errichten und sich für den Kampf zu wappnen.
Daà es dazu kommen würde, wuÃte er seit dem vergangenen Abend. Es gab
Dinge, die man in der Ãffentlichkeit sagen konnte, und andere, die man
besser frühmorgens in einer dunklen, nur von schwachem Feuerschein
erhellten Küche besprach. Die einzigen Ohren, die hier zuhören konnten,
gehörten Engländern, und die verstanden das rasche normannische
Französisch nicht.
»Liebst du sie?«
Renard
seufzte. »Das weià ich nicht«, gestand er, nachdem er den Bissen
hinuntergeschluckt hatte. »Wenn wir zusammen sind, glaube ich, wir
wären inmitten eines heftigen Gewitters. Ständig scheint der Blitz
einzuschlagen.«
Der Duft von frischem Brot erfüllte die
Küche, als ein Lehrling des Kochs mehrere Laibe aus dem Backofen nahm.
Ãber dem steinernen Spülbecken klapperte ein Küchenjunge mit Töpfen und
Pfannen und pfiff laut vor sich hin. Judith beobachtete, wie flink hier
gearbeitet wurde, was zweifellos an ihrer Anwesenheit lag. »Erzähl mir
von ihr.«
Renard fegte mit der Handkante
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