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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chadwick Elizabeth
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Sattel gezogen
hatte, hielt sie sich wieder an ihm fest, als wäre er der einzige
Felsen in einem Meer aus Treibsand. Würde sie bald merken, daß auch
dieser Fels aus Treibsand bestand?

E LFTES K APITEL
    Eleanor
zog einen Wollstrang durch den Ring ihrer Spindel und drehte sie, um
einen Faden zu spinnen. Die vertraute Tätigkeit besänftigte sie. Im
Bett, bei dem sie Wache hielt, lag Harry in unruhigem Schlaf.
Weiderinde und Mohnsirup linderten seine Schmerzen. Schimmeliges Brot
und Bandagen, mit Honig beschmiert, bedeckten die Wunde. Judith hatte
erklärt, es sei schwierig gewesen, die Pfeilspitze herauszuziehen. »So
als hätte ich in der Küche einen Ochsen geschlachtet«, hatte sie in
ihrer unverblümten Art bemerkt und war dann in Tränen ausgebrochen.
»Ich hasse den November.«
    Zunächst waren diese Worte
zusammenhanglos erschienen, aber dann entsann sich Eleanor, daß Judith
im November ihren ersten Sohn Miles verloren hatte. Auch König Henry
war in diesem Monat gestorben. Und sein Tod hatte Wölfen wie Ranulf de
Gersons Tür und Tor geöffnet.
    Ob Harry die Verletzung
überleben würde, stand noch nicht fest â€“ ebensowenig, in welchem
Maße er, falls das Wunder geschah, den rechten Arm würde gebrauchen
können. So gut wie gar nicht, vermutete Eleanor und dachte an den
Anblick der Wunde. Am Vortag hatte sie Judith geholfen, den Verband zu
wechseln.
    Sie nahm einen neuen Strang von der Wollmasse
zu ihren Füßen und fädelte ihn in den Spindelring. An die erste Nacht
und den ersten Tag nach ihrer Ankunft auf Ravenstow erinnerte sie sich
glücklicherweise nur verschwommen. Auch die Ereignisse davor waren ihr
nur lückenhaft im Gedächtnis geblieben. Alptraumhafte Gestalten, die in
Blut tanzten, das Echo ihres eigenen Schluchzens, Renards Arme,
tröstend um ihren Körper gelegt, der Ausdruck in seinen Augen â€¦
Dieser letzte Gedanke ließ sie erschauern. Er wollte sie nicht. Das
hatte sie ihm deutlich angesehen. Sie mochte unschuldig sein, aber sie
war nicht blind.
    Ein heißes Bad, eine Salbe für die
Schürfwunden und einer von Judiths Schlummertränken hatten Eleanor von
ihrer Hysterie geheilt. Sie besaß ein sanftes, aber auch
widerstandsfähiges Wesen. Es hätte schlimmer kommen können, sagte sie
sich, wann immer sie von Selbstmitleid befallen wurde. Hätten Renard
und William die Söldner nicht so schnell aufgespürt, läge sie jetzt in
einem anderen Ehebett als jenem, in das sie zwei Tage später steigen
sollte.
    Hamos Männer, die den Kampf überlebt hatten,
waren am Galgen beim Turm gehängt worden. Ganz Ravenstow hatte das
Spektakel beobachtet. Der Graf hatte einen Markttag dafür gewählt,
damit möglichst viele Leute zuschauen und jubeln konnten. Hamo selbst
zählte nicht zu dem halben Dutzend, das die Menge mit ihren
Todeszuckungen unterhielt. Man hatte ihm während der Gefangenschaft
einen kurzen Aufenthalt im Tageslicht zugestanden. Und dabei glückte
ihm die Flucht, als sein Bewacher von einer Frau abgelenkt wurde, die
sich am Brunnen die Beine wusch. Hamo band ein Pferd los, schwang sich
in den Sattel und ritt wie der Teufel zum Schloßtor hinaus. Als man die
Verfolgung organisiert hatte, war es zu spät gewesen.
    Vor
vier Tagen hatte Renard die Wache an der Grenze Caermoels verstärkt, um
es vor Chesters begierigen Händen zu schützen. Bisher war kein Bote mit
der Nachricht von einem neuerlichen Angriff erschienen. Die
Hochzeitsgäste begannen einzutreffen. Nur mehr zwei Tage â€¦ Dieser
Gedanke trieb Tränen in Eleanors Augen, aber sie schluckte sie hastig
hinunter und drehte ihre Spindel noch rascher.
    Der
Vorhang teilte sich, und ein Gesicht erschien. Sie schnüffelte, dann
gelang es ihr, Renards älterem Bruder John ein Lächeln zu schenken. Der
Priester, im Haushalt des Grafen von Leicester tätig, war nach
Ravenstow gekommen, um die Trauung vorzunehmen. Auch Leicester hatte
sich eingefunden, um die guten Wünsche, die der König seinen etwas
widerwilligen Vasallen im walisischen Grenzland ausrichten ließ, und
eine Einladung zu einer Weihnachtsversammlung aller Getreuen am Hof zu
überbringen.
    John trat ans Bett. »Wie geht es ihm?«
    Â»Er
schläft«, erwiderte Eleanor und konstatierte das Offensichtliche, weil
es sonst nicht viel zu sagen gab. »Wenigstens leidet er noch nicht am
Wundfieber, aber es ist zu früh, um

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