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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chadwick Elizabeth
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Schwiegertochter. Nach dem schweren Verlust, als
Judith schwach und krank und todunglücklich gewesen war, hatte das
Mädchen die gesamte Verantwortung für den Haushalt übernommen und
erstaunlich gut bewältigt â€“ vielleicht zu gut. Eleanor hatte sich
als überaus tüchtige Schloßherrin erwiesen, und sie war ja auch die
neue Gräfin. Mit Guyons Tod hatte Judith alle Macht verloren. Jetzt
wurde sie von allen behandelt, als bestünde sie aus Porzellan. Man
überwachte jeden einzelnen ihrer Schritte und verhätschelte sie, als
wäre ihre ganze Seele gestorben und nicht nur ein Teil davon.
    Eleanor
setzte sich zu ihr auf die Torfbank. »Ich dachte mir, daß ich dich hier
finden würde. Die Sonne ist untergegangen, bald wird es dunkel.
Möchtest du nicht mit mir ins Haus kommen?«
    Â»Nein!«
fauchte Judith wie ein trotziges kleines Kind. Die Sonne war
tatsächlich versunken, während sie ihren Gedanken nachgehangen hatte.
Jetzt spürte sie, wie die Feuchtigkeit aus dem grasbewachsenen Torf bis
in ihre Knochen drang. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie
Eleanor ihre im Schoß gefalteten Hände anstarrte. »Tut mir leid«,
seufzte sie. »Ich hasse es, wie eine Invalidin oder verrückte Greisin
behandelt zu werden. Sicher, ihr alle meint es nur gut mit mir. Und
anfangs fand ich es auch ganz angenehm, mich beschützen zu lassen, aber
jetzt nicht mehr. Wenn ich nicht mehr selbst über mein Leben bestimmen
kann, werde ich tatsächlich noch wahnsinnig.«
    Der Duft der gepflückten Salbeiblätter lag in der Luft. Bestürzt fragte Eleanor: »Waren wir wirklich so rücksichtslos?«
    Â»Nein,
nicht rücksichtslos«, erwiderte Judith in etwas sanfterem Ton. »Es
liegt wohl daran, daß ich mich verändert habe. Jetzt brauche ich die
Einsamkeit, um in Ruhe zu trauern. Wenn ich Gesellschaft haben will,
werde ich sie suchen.«
    Eleanor schaute sie prüfend an. »Soll ich dich hier allein lassen?«
    Die
Mundwinkel der alten Frau zuckten. »Jetzt bin ich in meine eigene Falle
gegangen. Es ist kalt, meine Glieder werden steif, und der Fackelschein
da drin sieht sehr verlockend aus.« Langsam stand sie auf.
    Â»Ich
glaube, ich bekomme ein Kind«, sagte Eleanor unvermittelt, während
Judith ihre Röcke ausschüttelte. »Meine letzte Monatsblutung ist nicht
eingetreten, und auch jetzt warte ich vergeblich darauf. Außerdem sind
meine Brüste gewachsen, und morgens wird mir oft übel.«
    Â»Oh, das sind ja wundervolle Neuigkeiten!« Judith küßte sie auf die Wange. »Hast du es Renard schon erzählt?«
    Eleanor
schüttelte den Kopf. »Als er in die Fens reiste, war ich mir noch nicht
sicher.« Sie wich dem Blick ihrer Schwiegermutter aus und starrte auf
ein Grasbüschel zu ihren Füßen.
    Nachdenklich kräuselte
Judith die Lippen. Trotz ihrer Trauer und ihrer Krankheit hatte sie
erfahren, was beim königlichen Weihnachtsfest geschehen war. »Wußtest
du schon vor deinem Aufenthalt in Salisbury über Olwen Bescheid?«
    Für
einen unbeteiligten Zuhörer hätte die Frage zusammenhanglos geklungen.
Aber für Eleanor, deren Gedanken sich in denselben Bahnen bewegten, war
sie folgerichtig. »Ja. Ich fand es in meiner Hochzeitsnacht heraus.«
    Stöhnend verdrehte Judith die Augen. »Guyon und ich scheinen keine Söhne großgezogen zu haben, sondern Idioten.«
    Â»Ich
habe ihn danach gefragt«, verteidigte Eleanor ihren Mann. »Natürlich
war es wie ein Schlag ins Gesicht. Wir stritten, ich wurde hysterisch,
und er blieb so ruhig und vernünftig, daß ich schließlich zu glauben
begann, alles wäre meine Schuld. In Salisbury versöhnten wir uns, und
trotz dieser Hure scheint unsere gute Beziehung anzudauern,
aber â€¦Â« Sie legte eine Hand auf ihren Bauch. »Manchmal stelle ich
mir die beiden in leidenschaftlicher Umarmung vor, und dann wird mir
ganz schlecht.«
    Tränen des Mitgefühls brannten in
Judiths Augen. Nur zu gut wußte sie, wie der Schwiegertochter zumute
war. »Vor unserer Hochzeit hatte Guyon eine Geliebte â€“ Heulwens
Mutter. Sie waren sehr lange zusammengewesen. Ich kann die Nächte nicht
zählen, wo ich mich verzweifelt im Bett umherwarf â€“ nicht weil er
weiterhin mit ihr schlief, sondern weil sein Blick manchmal in weite
Fernen schweifte, in die ich ihm nicht folgen konnte. Da wußte ich,

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