Die Leopardin
Nüstern gegen das feuchte Hinterteil des Pferdes, das vor ihr
dahintrottete.
Im Hof tummelten sich alle verfügbaren
Reitknechte und Stallburschen, die Reit- und Packpferde versorgten. An
einer Mauer lehnten zwei Gepäckkarren, die von einigen Dienern
abgeladen wurden. Mehrmals rannten sie hin und her, um schwere
Rüstungen und andere Gegenstände in die Halle zu schleppen. Eadric, der
Oberreitknecht, führte gerade einen Rappen mit vertrauten weiÃen
Sprunggelenken zum Stall. Bei Eleanors Anblick blieb er stehen und
verneigte sich. »Wir haben Sie nicht erwartet, Mylady«, entschuldigte
er sich. »Ich kümmere mich gleich um Eure Stute.«
Keuchend
half ihr Sir Thomas aus dem Sattel. Regenwasser troff von seinem Helm
auf die Unterlippe herab. Er blies nach oben und versprühte die
Tropfen. »Graf Renard ist wieder da«, verkündete er überflüssigerweise
und mit einer gewissen Erleichterung. Dann merkte er, daà er mit leerer
Luft sprach.
In der groÃen Halle, überfüllt mit
bewaffneten Männern, stank es nach ungewaschenen Leibern und nasser
Wolle. Das Kaminfeuer spiegelte sich in rostgefleckten Halsbergen und
Schwertgriffen. Durstig wurden Trinkkrüge geleert. Eine aufgeregte
Dienstmagd bahnte sich mit zwei Apfelweinkaraffen einen Weg durch das
Gewühl. Eleanor klopfte auf den Rücken eines riesigen breitschultrigen
Ritters. »Ancelin, wo ist Renard?«
Er wirbelte herum.
Naà und fettig hing das blonde Haar unter seiner Helmkappe hervor.
Dunkle Schatten umrandeten seine müden Augen, aber sein erfreutes
Lächeln wirkte aufrichtig, als er auf die dreiÃig Zentimeter kleinere
Gräfin hinabblickte. »Im Wintergarten, Mylady â¦Â« Plötzlich stieÃ
er einen Jubelschrei aus, hob einen kräftigen Arm, und sie roch seine
verschwitzte Achselhöhle, als er ein gebratenes Hühnerbein von der
Servierplatte riÃ, die ein Dienstmädchen in die Halle trug.
»Geht
es ihm gut?« fragte Eleanor angstvoll. Sie wuÃte, daà Renard kein
Oberherr war, der sich ohne guten Grund von seinen Männern fernhielt.
»Mehr
oder weniger«, erwiderte Ancelin mit vollem Mund. »Wegen der Schmerzen
ist er natürlich schlecht gelaunt. Aber wenn Ihr das ertragen könnt,
werdet Ihr bald merken, daà er nicht zu schwer verwundet ist, um Euch
gebührend zu begrüÃen.«
»Verwundet!«
Kichernd
wischte sich Ancelin die Lippen an seinem sommersprossigen Handrücken
ab. »Und nicht einmal in der Hitze des Gefechts ⦠Entschuldigt
mich!« Er wandte sich ab, um einem groÃen Korb mit ofenwarmem Brot
nachzulaufen.
Eleanor raffte ihre regennassen Röcke und
eilte zum Wintergarten. Sie wuÃte, daà Ancelin keinen so prächtigen
Appetit entwickeln würde, wäre sein Herr ernsthaft verletzt. Trotzdem
war ihr Herz von schwerer Sorge erfüllt, als sie den Vorhang im
Torbogen beiseite schob und den Raum betrat. Renard saà auf einem Stuhl
mit hoher Lehne, ein Bein auf einen Schemel gestützt, und Judith beugte
sich hinab, um seinen nackten Fuà zu untersuchen. »Da ist wohl nichts
gebrochen«, sagte sie langsam, als wäre sie sich nicht ganz sicher.
Dann sah sie, wie sein Blick zum Eingang wanderte, und drehte sich um. Da stand Eleanor, blaà wie ein Gespenst.
»Alles
in Ordnung, er wird nicht sein Leben lang verkrüppelt bleiben â
nur für ein paar Wochen«, versicherte Judith. Während sie hinausging,
berührte sie ihre Schwiegertochter leicht an der Schulter.
Renard
ergriff einen kleinen Becher mit stark gewürztem, herzstärkendem Likör
und leerte ihn in einem Zug. Mit seinem langen, ungekämmten Haar und
dem erschöpften Gesicht unter den Bartstoppeln sah er so mitgenommen
aus wie Ancelin. Sie betrachtete seinen FuÃ. An manchen Stellen war die
Haut aufgeschürft, und die Schwellung über den Zehen schillerte in
verschiedenen Farben, von Dunkelgrau über Violett und Fuchsrot bis zu
einem hellen Rosa. »Was ist geschehen?«
Ungeduldig
seufzte er. »Heute morgen blieb ein Gepäckwagen im Schlamm einer Furt
stecken. Ich stieg ab und half den Leuten, ihn hinauszuschieben. Dann
sprach ich mit dem Fahrer über ein beschädigtes Rad. Plötzlich scheute
sein verdammter Gaul, weil einer unserer Hunde ein Kaninchen aus einem
Busch gejagt hatte, und trat seitwärts auf meinen FuÃ.«
Eleanor
bià sich auf die Lippen. Es nützte nichts.
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