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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Für diesen Zweck waren die TausendFranc-Scheine von der SOE eigentlich nicht gedacht. Außerdem hätte Diana wissen müssen, dass sie von nun an jede Sekunde hellwach sein und einen klaren Kopf behalten musste.
    Doch im Moment sah Flick keine Möglichkeit, dagegen einzuschreiten.
    Greta und Jelly hatten sich auf eine Bank gesetzt. Jelly blickte nachdenklich drein, was zweifellos dem Umstand zu danken war, dass ihr soeben ein Mensch, den sie für einen perversen Ausländer hielt, das Leben gerettet hatte. Hoffentlich ändert das ihre Einstellung gegenüber Greta, dachte Flick.
    Sie und Ruby fanden nicht allzu weit entfernt eine andere freie Bank, nahmen ebenfalls Platz und warteten.
    Stunden vergingen, und immer mehr Menschen drängten sich auf dem Bahnsteig: Männer in Anzügen, die wie Anwälte oder Verwaltungsbeamte aussahen und aus beruflichen Gründen nach Paris fahren mussten; ein paar recht gut gekleidete Französinnen und einige Deutsche in Uniform. Die Dohlen konnten sich mit ihrem Geld und den gefälschten Lebensmittelkarten im R:staurant pain noir und Ersatzkaffee bestellen.
    Gegen elf Uhr vormittags fuhr der Zug endlich ein. Die Waggons waren bereits voll, und da nur wenige Leute ausstiegen, mussten sich Flick und Ruby mit einem Stehplatz begnügen. Greta und Jelly ging es ebenso, aber Diana und Maude fanden noch Sitzplätze in einem Abteil für sechs Personen, in dem schon zwei Frauen mittleren Alters und zwei Gendarmen saßen.
    Die Polizisten machten Flick unruhig. Es gelang ihr, sich bis unmittelbar vor dem Abteil durchzudrängeln, damit sie die Insassen durch die Fensterscheibe im Auge behalten konnte. Es war ein Glück, dass Diana und Maude unter dem Einfluss des Champagners und der durchwachten Nacht einschliefen, kaum dass der Zug den Bahnhof verlassen hatte.
    Langsam tuckerte er durch Wälder und wogende Felder. Nach einer Stunde stiegen die beiden Französinnen aus, worauf Flick und Ruby kurz entschlossen deren Plätze einnahmen – eine Entscheidung, die Flick jedoch fast umgehend bereute. Die Polizisten, beide in den Zwanzigern, fingen sofort eine Unterhaltung mit ihnen an. Sie waren sichtlich erfreut darüber, sich die lange Fahrt durch eine Plauderei mit zwei jungen Mädchen etwas zu verkürzen.
    Sie hießen Christian und Jean-Marie. Christian war ein gut aussehender Bursche mit schwarzen Locken und braunen Augen; Jean-Marie hatte ein schlaues Fuchsgesicht mit blondem Schnurrbart. Der redselige Christian saß neben Ruby auf dem Mittelsitz, Flick auf der Bank gegenüber neben Maude, die wiederum an Diana lehnte und den Kopf an deren Schulter gebettet hatte.
    Die Gendarmen waren auf dem Weg nach Paris, um dort einen Gefangenen abzuholen, wie sie erzählten. Mit dem Krieg habe das nichts zu tun, versicherten sie. Es ging um einen Mann aus der Gegend von Chartres, der seine Frau und seinen Stiefsohn umgebracht hatte und nach der Tat nach Paris geflohen war. Dort war er den flics, der hauptstädtischen Polizei, ins Netz gegangen. Er hatte ein Geständnis abgelegt, und nun sollten ihn die beiden Gendarmen wieder nach Chartres bringen, wo der Prozess stattfinden würde. Christian griff in die Tasche seiner Uniformjacke und zeigte Flick die Handschellen, als wolle er ihr beweisen, dass er nicht nur herumprahlte.
    Im Laufe der folgenden Stunde erfuhr Flick alles, was es über Christian zu wissen gab. Und da von ihr selbstverständlich die gleiche Offenheit erwartet wurde, musste sie ihre dürftige Legende mit zahlreichen Details ausschmücken, auf die sie vorher keinen Gedanken verschwendet hatte. Das strapazierte zwar ihre Fantasie, war aber auch, wie sie sich einredete, eine gute Übung für Verhöre unter kritischeren Bedingungen.
    Der Zug durchquerte Versailles und kroch gerade durch den von Bomben zerstörten Rangierbahnhof von St. Quentin, als Maude aufwachte. Sie wusste noch, dass sie Französisch sprechen musste, hatte aber völlig vergessen, dass sie Flick nicht kennen durfte. »Hallo«, sagte sie, »kannst du mir sagen, wo wir sind?«
    Die Gendarmen blickten verdutzt auf. Flick hatte ihnen erzählt, dass sie und Ruby die beiden Schlafenden nicht kannten – und nun hatte Maude sie angesprochen wie eine vertraute Freundin.
    Aber sie behielt die Nerven. Lächelnd erwiderte sie: »Sie kennen mich doch gar nicht! Ich glaube, Sie haben mich für Ihre Freundin auf der anderen Seite gehalten. Sie sind ja noch ganz verschlafen!«
    Maude runzelte die Stirn und warf ihr einen bösen Blick zu, der so

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