Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
viel besagte wie: Nun stell dich nicht so dämlich an! Doch dann sah sie Christian, begriff, was sie falsch gemacht hatte, legte entsetzt die Hand auf den Mund und sagte schließlich in wenig überzeugendem Ton: »Ach, natürlich, Sie haben Recht! Entschuldigen Sie bitte.«
    Christian war kein misstrauischer Mensch. Er lächelte Maude an und erklärte: »Sie haben zwei Stunden lang geschlafen, Mademoiselle. Wir sind jetzt kurz vor Paris. Aber momentan steht unser Zug mal wieder, wie Sie sehen.«
    Maude schenkte ihm ihr betörendstes Lächeln. »Was glauben Sie, wann wir ankommen?«
    »Da bin ich überfragt, Mademoiselle. Ich bin nur ein Mensch, und die Zukunft kennt keiner außer Gott.«
    Maude lachte, als amüsierte sie sein Witzchen köstlich, und Flick lehnte sich beruhigt wieder zurück.
    Doch in diesem Augenblick wachte Diana auf und sagte laut auf Englisch: »Good God, hab ich ein Kopfweh! Wie spät ist es denn, verflixt nochmal?«
    Kaum hatte sie geendet, erblickte sie die Gendarmen und erkannte, was sie angestellt hatte. Aber es war zu spät.
    »Das war ja Englisch!«, sagte Christian.
    Flick sah, wie Ruby nach ihrer Waffe griff.
    »Sie sind Engländerin!«, sagte Christian zu Diana. Er sah Maude an. »Und Sie auch!« Er ließ seinen Blick durchs Abteil wandern und wusste auf einmal, mit wem er es zu tun hatte. »Sie alle!«
    Flick packte Ruby am Handgelenk, um sie daran zu hindern, die Waffe herauszuziehen. Doch der Pistolengriff war bereits zu sehen.
    Christian beobachtete die Szene und erkannte die Waffe in Rubys Hand. »Sie sind ja bewaffnet!«, schnaufte er. Seine Verblüffung hätte komisch gewirkt, wären sie in diesem Moment nicht alle in Lebensgefahr gewesen.
    Diana sagte: »O Gott, ich habe alles versaut!«
    Der Zug fuhr ruckartig wieder an.
    Christian senkte die Stimme. »Sie sind Agentinnen der Alliierten!«
    Flick saß wie auf glühenden Kohlen und wartete seine weitere Reaktion ab. Wenn er seine Waffe zieht, wird Ruby ihn erschießen, dachte sie, und in dem Fall bleibt uns nichts anderes übrig, als aus dem fahrenden Zug zu springen. Wenn wir Glück haben, können wir dann in den Elendsvierteln neben den Bahngleisen untertauchen, bevor die Gestapo alarmiert wird.
    Der Zug nahm Fahrt auf, und Flick überlegte, ob es nicht besser wäre, sofort abzuspringen, ehe er zu schnell fuhr.
    Sekunden tickten dahin. Dann endlich lächelte der Gendarm Christian und sagte mit leiser Stimme: »Ich wünsche Ihnen viel Glück! Ihr Geheimnis ist bei uns sicher!«
    Die beiden waren also Sympathisanten – Gott sei Dank. Erleichtert lehnte sich Flick in ihrem Sitz zurück. »Ich danke Ihnen«, sagte sie.
    »Wann ist mit der Invasion zu rechnen?«, fragte Christian.
    War er wirklich so naiv zu glauben, dass jemand, der diese Frage beantworten konnte, derart beiläufig ein solches Geheimnis preisgeben würde? Aber Flick wollte den jungen Mann bei Laune halten, und deshalb sagte sie: »Praktisch täglich jetzt. Vielleicht am Dienstag.«
    »Wirklich? Das ist ja fabelhaft. Vive la France!«.
    »Ich bin sehr froh, dass Sie auf unserer Seite sind«, sagte Flick.
    »Ich war schon immer gegen die Deutschen.« Christian plusterte sich ein wenig auf. »Mein Beruf hat es mir ermöglicht, der Resistance den einen oder anderen Dienst zu erweisen. Natürlich sehr diskret.« Er tippte mit dem Finger gegen seinen Nasenflügel.
    Flick glaubte ihm kein Wort. Gegen die Deutschen mochte er sein, gewiss: Nach vier Jahren, in denen es immer weniger zu essen, nur noch alte Kleider und ewige Ausgangssperren gab, waren die meisten Franzosen gegen die Deutschen. Doch hätte Christian tatsächlich mit der Resistance kooperiert, so hätte er keiner Menschenseele davon etwas erzählt – ganz im Gegenteil: Er hätte eine Heidenangst davor gehabt, dass irgendwer dahinter kam.
    Aber das spielte im Moment keine Rolle. Wichtig war nur, dass er sah, woher der Wind blies, und allein schon aus diesem Grunde alliierte Agenten nicht wenige Tage vor der Invasion der Gestapo auslieferte. Die Gefahr, dass man ihn am Ende dafür zur Rechenschaft ziehen würde, war inzwischen fast zu groß.
    Der Zug fuhr nun wieder ganz langsam, und Flick sah, dass er in den Gare d’Orsay einlief. Sie erhob sich. Christian küsste ihr die Hand und sagte mit bebender Stimme: »Sie sind eine tapfere Frau! Viel Glück!«
    Flick verließ den Zug als Erste der Dohlen. Als sie den Bahnsteig betrat, sah sie einen Mann in Arbeiterkluft ein Plakat ankleben. Irgendetwas daran kam ihr

Weitere Kostenlose Bücher