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Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Hochglanz poliertem Holz beherrschte den vorderen Salon, darunter ein mit einem Staubschutz bedecktes Klavier. An der Wand hing ein Stich mit einer Ansicht der Kathedrale von Reims, und auf dem Kaminsims standen verschiedene Nippes: ein Schwan aus gesponnenem Glas, ein Blumenmädchen aus Porzellan, ein in eine Glaskugel eingeschlossenes Modell des Schlosses von Versailles und drei Holzkamele.
    Dieter Franck setzte sich auf ein Plüschsofa. Stephanie tat es ihm nach, und Mademoiselle Lemas nahm auf einem hohen Stuhl gegenüber Platz. Sie ist ziemlich pummelig, stellte Franck für sich fest. Nach vier Jahren Besatzungszeit gibt es eigentlich kaum noch dicke Franzosen. Ihr Laster muss wohl das Essen sein.
    Auf einem Beistelltischchen standen eine Zigarettendose und ein schwerer Zigarettenanzünder. Franck ließ den Deckel aufschnappen und sah, dass die Dose randvoll war. »Sie dürfen gerne rauchen«, sagte er.
    Sie reagierte etwas pikiert: Frauen aus ihrer Generation konsumierten keinen Tabak. »Ich rauche nicht.«
    »Und wozu brauchen Sie dann diese Zigaretten?«
    Sie berührte ihr Kinn – ein Zeichen für Unaufrichtigkeit. »Für Besucher.«
    »Um was für Besucher handelt es sich dabei?«
    »Freunde... Nachbarn. « Sie fühlte sich sichtlich unwohl in ihrer Haut.
    »Und englische Spione.«
    »Das ist doch absurd!«
    Franck schenkte ihr sein charmantestes Lächeln. »Sie sind offensichtlich eine grundanständige Dame, die aus fehlgeleiteten Motiven in kriminelle Machenschaften hineingeraten ist«, sagte er im Ton freundlicher Offenheit. »Ich mache Ihnen nichts vor und hoffe sehr, dass Sie nicht so töricht sein werden, mir irgendwelche Lügen zu erzählen.«
    »Ich werde Ihnen gar nichts erzählen«, sagte Mademoiselle Lemas.
    Franck markierte den Enttäuschten, obwohl er sich insgeheim darüber freute, wie schnell er vorankam. Sie hatte es bereits aufgegeben, ihm vorzuspiegeln, dass sie überhaupt nicht wisse, worüber er redete. Das war schon so gut wie ein Geständnis. »Ich werde Ihnen einige Frage stellen«, sagte er. »Wenn Sie sie nicht beantworten, werde ich Sie im Hauptquartier der Gestapo noch einmal dasselbe fragen.«
    Sie sah ihn herausfordernd an.
    »Wo treffen Sie die britischen Agenten?«
    Sie schwieg.
    »Woran werden Sie von ihnen erkannt?«
    Ihre Blicke trafen sich und hielten einander fest. Mademoiselle Lemas war jetzt nicht mehr nervös; sie hatte sich bereits in ihr Schicksal gefügt. Tapfere Frau, dachte Franck. Sie wird’s mir nicht leicht machen.
    »Wie lautet die Parole?«
    Sie gab ihm keine Antwort.
    »An wen leiten Sie die Agenten weiter? Wie nehmen Sie Verbindung zur Resistance auf? Wer ist der Anführer?«
    Schweigen.
    Franck erhob sich. »Kommen Sie bitte mit.«
    »Bitte sehr«, erwiderte sie standhaft. »Vielleicht gestatten Sie, dass ich mir noch meinen Hut aufsetze.«
    »Aber selbstverständlich.« Franck nickte Stephanie zu. »Begleite Mademoiselle bitte und achte darauf, dass sie weder telefoniert noch etwas aufschreibt.« Er wollte vermeiden, dass sie irgendwelche Botschaften hinterließ.
    Er wartete in der Diele. Als die beiden Frauen zurückkamen, hatte Mademoiselle Lemas ihre Schürze abgenommen, einen leichten Mantel übergestreift und einen Topfhut aufgesetzt, der schon lange vor Kriegsausbruch aus der Mode gekommen war. Außerdem trug sie eine robuste braune Handtasche bei sich. Als sie zu dritt zur Eingangstür gingen, sagte Mademoiselle Lemas: »Oh! Ich habe meinen Schlüssel vergessen.«
    »Den brauchen Sie nicht mehr«, sagte Franck. Er hatte ihn sich längst eingesteckt, für alle Fälle.
    »Wenn die Tür ins Schloss fällt, brauche ich einen Schlüssel, um wieder ins Haus zu kommen«, erwiderte sie.
    Franck sah ihr in die Augen. »Haben Sie mich nicht verstanden?«, sagte er. »Sie haben feindliche Spione bei sich beherbergt und sind erwischt worden. Sie befinden sich in der Hand der Gestapo.« Er schüttelte den Kopf, und sein besorgter Blick war kein reines Theater. »Was immer geschehen mag, Mademoiselle. Sie werden nie wieder hierher zurückkehren.«
    Jetzt dämmerte ihr, was ihr bevorstand. Ihr Gesicht wurde weiß. Sie taumelte und fing sich wieder, indem sie sich an der Kante eines Tischchens festhielt. Eine chinesische Vase, in der ein paar trockene Ziergrashalme steckten, wackelte bedrohlich, fiel aber nicht um. Dann hatte sich Mademoiselle Lemas wieder gefangen. Sie richtete sich auf und ließ den Tisch los, bedachte Franck erneut mit einem herausfordernden

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