Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Leopardin

Titel: Die Leopardin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Blick und verließ hoch erhobenen Hauptes ihr Heim.
    Franck bat Stephanie, auf dem Beifahrersitz Platz zu nehmen, und setzte sich zu der Gefangenen in den Fond. Während Hesse sie nach Sainte-Cecile chauffierte, trieb Franck höfliche Konversation. »Sind Sie in Reims geboren, Mademoiselle?«
    »Ja. Mein Vater war Chorleiter an der Kathedrale.«
    Ein religiöser Hintergrund, dachte Franck, in dessen Kopf sich bereits ein Plan abzeichnete. Gar nicht schlecht für das, was ich vorhabe ...
    »Ist er inzwischen im Ruhestand?«
    »Er ist vor fünf Jahren nach langer Krankheit verstorben.«
    »Und Ihre Mutter?«
    »Sie starb, als ich noch ein Kind war.«
    »Dann haben Sie vermutlich Ihren Vater während seiner Krankheit gepflegt?«
    »Ja. Zwanzig Jahre lang.«
    »Aha.« Das erklärte, warum sie nicht verheiratet war. Sie hatte ihr Leben damit zugebracht, den invaliden Vater zu pflegen. »Und er hat Ihnen dann das Haus hinterlassen.«
    Sie nickte.
    »Ein geringer Lohn, könnte man denken, für ein ganzes Leben im Dienste der Nächstenliebe«, sagte Franck nicht ohne Mitgefühl.
    Mademoiselle Lemas sah ihn von oben herab an. »Man tut solche Dinge nicht um des Lohnes willen.«
    »Da stimme ich Ihnen zu.« Der kaum verhohlene Tadel störte ihn nicht. Seinem Plan kam es nur zugute, wenn sie sich einredete, dass sie ihm moralisch und gesellschaftlich überlegen war. »Haben Sie Geschwister?«
    »Nein.«
    Franck hatte das Bild lebhaft vor Augen: Die feindlichen Agenten, denen sie Unterschlupf gewährte, durchwegs junge Männer und Frauen, mussten ihr wie ihre Kinder vorkommen. Sie hatte für sie gekocht, ihnen die Wäsche gewaschen, mit ihnen geredet und wahrscheinlich sogar darauf geachtet, dass Männlein und Weiblein sich anständig verhielten. Nur ja kein unmoralisches Verhalten – zumindest nicht unter ihrem Dach!
    Und dafür musste sie nun sterben.
    Doch bevor es so weit ist, hoffte Franck, wird sie mir noch alles erzählen, was sie weiß.
    Der Gestapo-Citroen folgte ihnen bis nach Sainte-Cecile. Als die beiden Wagen auf dem Parkplatz des Schlosses standen, wandte Franck sich an Weber. »Ich werde sie mit raufnehmen und in ein Büro setzen«, sagte er.
    »Wieso denn? Die Zellen sind im Keller.«
    »Warten Sie ‘s ab.«
    Franck führte die Gefangene die Treppe hinauf zu den Büroräumen der Gestapo. Dort warf er einen Blick in jeden Raum und suchte sich jenen aus, in dem am meisten los war, ein kombiniertes Schreib- und Postzimmer, in dem sich zahlreiche junge Männer und Frauen mit flotten Hemden und Krawatten aufhielten. Er ließ Mademoiselle Lemas im Flur warten, schloss die Tür hinter sich, klatschte in die Hände und bat um Aufmerksamkeit.
    »Ich werde jetzt gleich eine Französin hereinführen. Es handelt sich um eine Gefangene, doch wünsche ich, dass Sie sie alle höflich und zuvorkommend behandeln, verstanden? Behandeln Sie sie wie einen Gast. Es ist sehr wichtig, dass sie sich respektiert fühlt.«
    Er brachte Mademoiselle Lemas herein, ließ sie an einem Tisch Platz nehmen und fesselte, wobei er eine Entschuldigung murmelte, einen ihrer Fußknöchel mit einer Handschelle ans Tischbein. Dann ging er hinaus und nahm Hesse mit, während Stephanie bei der Gefangenen blieb.
    »Gehen Sie in die Kantine, Hesse, bestellen Sie ein Mittagessen und lassen Sie es auf einem Tablett anrichten. Suppe, ein Hauptgericht, Wein, eine Flasche Mineralwasser und viel Kaffee. Dazu Besteck, Gläser und eine Serviette. Sorgen Sie dafür, dass alles appetitlich aussieht.«
    Der Leutnant grinste. Obwohl er keine Ahnung hatte, was sein Vorgesetzter beabsichtigte, war er voller Bewunderung: Dem war sicher wieder was ganz Raffiniertes eingefallen.
    Es dauerte nur ein paar Minuten, bis er mit dem Tablett zurückkam. Franck übernahm es, trug es ins Büro und setzte es vor Mademoiselle Lemas auf den Tisch.
    »Bitte sehr«, sagte er. »Es ist Essenszeit.«
    »Ich kann jetzt nichts essen, danke sehr.«
    »Vielleicht bloß ein bisschen Suppe?« Er schenkte ihr etwas Wein ein.
    Mademoiselle Lemas verdünnte den Wein mit Mineralwasser und nippte daran. Dann probierte sie einen Löffel Suppe.
    »Schmeckt es?«
    »Sehr gut«, gab sie zu.
    »Die französische Küche ist so deliziös! Wir Deutschen können ihr einfach nicht das Wasser reichen.« Franck plauderte irgendwelchen Blödsinn, der sie ablenken und entspannen sollte. Die Gefangene aß fast die ganze Suppe auf. Franck schenkte ihr Wasser nach.
    Als Sturmbannführer Weber das Büro betrat,

Weitere Kostenlose Bücher