Die Leopardin
gesetzt?«
»Nein. Außerdem lässt sich der Schaden reparieren. Man müsste die Handvermittlung, die automatische Vermittlung, die Verstärker für die Fernverbindungen, die Telegrafenvermittlung und deren Verstärker ausschalten – und die befinden sich wahrscheinlich alle in verschiedenen Räumen.«
»Vergiss nicht, dass wir nur eine beschränkte Menge Sprengstoff mitnehmen können – nicht mehr, als sechs Frauen in ihren üblichen Taschen unterbringen können.«
»Ja, das ist ein Problem.«
Michel hatte all diese Fragen schon mit Arnaud erörtert. Er war Mitglied der Bollinger-Gruppe und arbeitete für die französische PTT – Postes, Telegraphes, Telephones. Um die Details hatte sich
Flick allerdings nicht gekümmert, und Arnaud war beim Überfall auf das Schloss gefallen.
»Es muss doch die eine oder andere Einrichtung geben, die alle Systeme gemeinsam haben«, sagte sie.
»Ja, die gibt es auch. Den HV.«
»Was ist das?«
»Der Hauptverteiler. Das sind zwei Gruppen von Buchsen in großen Schaltschränken. Auf der einen Seite kommen die Leitungen von außen rein, auf der anderen führen die Leitungen aus der Zentrale hinaus. Untereinander verbunden sind sie durch Überbrückungskabel.«
»Und wo findet man diesen Hauptverteiler?«
»In einem Zimmer neben dem Kabelraum. Am besten zündet man dort ein Feuerchen an, das heiß genug ist, um das Kupfer in den Kabeln zu schmelzen.«
»Und wie lange würde es dauern, die Kabel zu ersetzen?«
»Zwei Tage.«
»Wirklich? Als die Leitungen in meiner Straße durch eine Bombe gekappt wurden, hat ein alter Fernmeldetechniker der Post sie in ein paar Stunden wieder repariert.«
»Reparaturen im Gelände sind einfach. Da geht es bloß darum, die gerissenen Enden wieder miteinander zu verknüpfen – Rot mit Rot und Blau mit Blau. Aber so ein Hauptverteiler hat Hunderte von Kreuzverbindungen. Nein, zwei Tage ist eher noch zu knapp geschätzt, und das setzt außerdem voraus, dass die Techniker die Schaltpläne haben.«
»Schaltpläne?«
»Auf denen die Kabelverbindungen eingetragen sind, ja. Normalerweise liegen sie in einem Schrank im gleichen Raum. Wenn es uns gelingt, die auch zu verbrennen, dauert die Reparatur Wochen. Es ist eine elende Tüftelei, die richtigen Verbindungen wiederherzustellen.«
Michel hatte einmal, wie Flick jetzt einfiel, berichtet, dass die Resistance einen Mitstreiter bei der PTT hatte, der im Ernstfall bereit war, die in der Hauptzentrale aufbewahrten Duplikate der Belegpläne zu zerstören. »Das klingt gut«, sagte sie. »Aber jetzt hör mir mal gut zu: Wenn ich morgen früh den anderen unsere Mission erkläre, werde ich ihnen was völlig anderes erzählen, eine Art Legende.«
»Warum?«
»Damit unser Einsatz auch dann nicht gefährdet wird, wenn sie eine von uns schnappen und verhören.«
»O Gott.« Für Greta war dies eine sehr ernüchternde Vorstellung. »Wie schrecklich.«
»Du bist die Einzige, die weiß, worum es wirklich geht. Also behalt die Geschichte von jetzt an für dich.«
»Keine Angst. Wir Homos sind daran gewöhnt, Geheimnisse für uns zu behalten.«
Die Wortwahl verblüffte Flick, doch sie enthielt sich eines Kommentars dazu.
Das »Mädchenpensionat« war auf dem Gelände eines der stattlichsten Landsitze Englands untergebracht. Beaulieu – auf Englisch Bewly ausgesprochen – war ein weitläufiges Anwesen im New Forest unweit der Südküste. Das Herrenhaus – genannt Palace House – war der Wohnsitz von Lord Montagu. In den umliegenden Wäldern verbargen sich mehrere große Landhäuser mit entsprechenden eigenen Grundstücken, von denen die meisten seit den ersten Kriegsmonaten leer standen: Die jüngeren Eigner waren zum Militärdienst eingezogen worden, und die älteren verfügten in den meisten Fällen über die Mittel, sich in sicherere Quartiere zurückzuziehen. Zwölf dieser Häuser waren von der SOE requiriert worden und dienten nun als Ausbildungsstätten, in denen man die angehenden Agenten mit Sicherheitsvorkehrungen, Bedienung von Funkgeräten, Kartenlesen und mit weniger harmlosen Fertigkeiten wie Einbruch, Sabotage, Dokumentenfälschung und lautlosen Tötungsmethoden vertraut machte.
Flick und Greta trafen gegen drei Uhr morgens ein. Flick steuerte den Wagen über einen Feldweg und einen Weiderost, bevor sie vor einem großen Gebäude anhielt. Jedes Mal, wenn sie hierher kam, hatte sie das Gefühl, eine Fantasiewelt zu betreten, in der man über Lug und Trug, Verrat und Gewalt sprach, als
Weitere Kostenlose Bücher