Die Letzte Arche
deine Dienstpläne aufstellst, Holle, setz mich und Lieutenant Saito für die erste Periode an die Spitze der Wandschrubbertruppe.«
Holle nickte.
Kelly schaute auf den Tisch und sah dann die Anwesenden an, die in verschiedenen Winkeln in der Luft um sie herumschwebten. »Okay, ich schätze, diese Versammlung war produktiv. Aber sie ist nur ein Anfang. Wir werden einfach lernen müssen, miteinander auszukommen. Und füreinander wie auch für das Wohl des Schiffes zu arbeiten . Ganz egal, welche Differenzen wir sonst haben, ich hoffe, wir können uns darauf einigen. Noch irgendwas? Nein? Dann sind wir hier fertig.«
Doch als die Versammlung sich auflöste, bedeutete Kelly Holle und Grace, noch zu bleiben.
Sobald Masayo und seine Jungs außer Hörweite waren, sagte sie leise: »Wie steht’s mit Waffen? Diese Gang kleiner Soldaten muss bewaffnet an Bord gekommen sein. Grace, hast du irgendeinen Hinweis darauf, wo sie ihre Kanonen versteckt haben?«
Grace schüttelte den Kopf. »Bin nicht auf die Idee gekommen, danach zu fragen. Da musst du mit Masayo reden.«
Kelly wirkte geistesabwesend. »Nein«, sagte sie. »Ich kann mir in dieser Sache keine Konfrontation leisten. Holle, ich möchte, dass du dir ein paar Leute holst. Mindestens zwei für jeden Illegalen. Führt eine Razzia durch. Drückt sie zu Boden und nehmt ihnen die verdammten Knarren ab. Such dir ein paar kräftige Typen, denen du vertrauen kannst. Wilson zum Beispiel.«
Holle machte ein skeptisches Gesicht. »Das wird auf lange Sicht Probleme verursachen.«
»Soll Masayo ruhig keifen. Besser als Waffen im Innern der Druckmodule. Erledige das.« Sie schaute auf eine Uhr, die auf Alma-Zeit eingestellt war, so wie alle Uhren im Schiff. »Ich muss nachsehen, wie Wilson mit seiner EVA vorankommt.«
48
Grace Grays Lieblingszeit jedes Tages auf der Arche war dessen Ende.
Das Kontrollzentrum in Alma hatte der Crew in ihren beiden Modulen ein Drei-Schichten-System verordnet, so dass erst Seba und dann Hawila eine Schicht schlief; anschließend waren beide wach. Auf diese Weise war jederzeit zumindest die Hälfte der Crew wach und einsatzfähig, was die Chancen erhöhte, dass die Arche als Ganzes ein etwaiges plötzliches Unglück überstand.
In beiden Modulen gab es jedoch keine richtige Privatsphäre, außer in den mit Türen versehenen Toiletten, obwohl ihnen für die lange interstellare Reisephase eine Unterteilung der großen Räume versprochen worden war. Das hieß, dass man lernen musste, wie in einem riesigen Schlafsaal zu schlafen, mit anderen über und unter einem, deren Stöhnen und Schnarchen nur allzu gut hörbar und deren Liegen durch das Gitter des Decks sichtbar waren, und man sah geisterhafte Gestalten hin und her schweben, lautlos und schwerelos wie Seifenblasen.
Dennoch hatte Grace gelernt, jene Momente zu genießen, wenn sie sich im Innern eines Kokons aus Schlafsack und Decke locker auf ihrer Liege festschnallte. Dies war das Beste an der Mikrogravitation, weit weg von den kleinen Ärgernissen des Tages, wenn man durch den Müll anderer Leute oder Wolken von losem Zeug schwebte – Schraubenzieher, Plastikfetzen, Stücke
von Dichtungsmaterial –, alles Beweise für den eiligen Bau des Schiffes. Auf der Liege hingegen schwebte man, als läge man im bequemsten Bett der Erde.
Und wenn die Schlafperiode begann, wandten sich die auf Wandstützen montierten, allgegenwärtigen Kameras ab. Die Erde musste einem nicht beim Schlafen zusehen, weder das Kontrollzentrum noch die Öffentlichkeit, die, wie Gordo ihnen versicherte, ansonsten jede ihrer Bewegungen beobachtete, als wäre das Schiff eine Realityshow mit dem einzigen Daseinszweck, die Menschen von der schrecklichen Wahrheit der Flut abzulenken. Die Quoten seien enorm, sagte Gordo. Grace glaubte, dass die ständige Überwachung den Ausbruch von Konflikten an Bord des Schiffes verhinderte, darum hatte sie keine Einwände dagegen, aber es war angenehm, wenn sich die elektronischen Augen abwandten.
Und dann pflegte Kelly Kenzie ihre letzte Runde zu machen, eine visuelle Inspektion, dass alles in Ordnung war. Das war ein gesunder Instinkt von Kelly, dachte Grace, eine Art, Bindungen zu ihrer Crew zu entwickeln. Vielleicht würde es voreilige Handlungen wie die geplante Razzia nach Waffen aufwiegen. Wenn Kelly vorbeikam, sorgte sie dafür, dass die Schiffssysteme die Lichter im Modul eins nach dem anderen auf die Notbeleuchtung herunterdimmten. So wurde es in den Sektionen des Moduls
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