Die Letzte Arche
dass er versucht hatte, Jack zu töten.
Aber Thomas behauptete mit Nachdruck, er habe nicht vorgehabt, jemand anderem etwas zuleide zu tun. Er wusste, dass Jack den Druckanzug überholen sollte, den er meistens benutzte. Thomas hatte den Anzug so manipuliert, dass ein Funke erst einen Sauerstoffstrahl und dann die Materialien des Anzugs entzünden würde, wenn jemand ein Prüfventil an der Sauerstoffzufuhr betätigte; er hatte das Innenfutter des Anzugs mit einer brennbaren Lösung getränkt. Die Vorbereitungen hatte Thomas großenteils im Dunkeln ausgeführt, um dem allgegenwärtigen Blick der Überwachungskameras zu entkommen. Seinem Plan zufolge sollte das Feuer jeden Hinweis auf sein Motiv, seine Schuld vernichten. Aber irgendwie war sein Plan fehlgeschlagen. Der Anzug war geradezu explodiert, und Jack war nicht getötet, sondern weggeschleudert worden, mit schlimmen Verbrennungen, aber lebendig, und das so entstandene Feuer hatte sich rasch über den Anzug hinaus ausgebreitet.
»Doch nun müssen wir uns mit der Frage befassen, welche Strafe wir dafür verhängen sollen. Dies ist das schwerste Verbrechen, das es an Bord dieser Arche gegeben hat, seit wir die Erde verlassen haben – und ich hätte nicht erwartet, jemals mit etwas derart Schwerwiegendem konfrontiert zu sein. Ich habe lange und gründlich nachgedacht. Ich bin zu einer Entscheidung gelangt. « Sie sah sie der Reihe nach an, mit unbewegtem Gesicht. »Und ich habe diese Entscheidung mit Hilfe von Masayo und Doc Wetherbee in die Tat umgesetzt. Ihr wisst, ich habe immer versucht, auf der Grundlage von Konsens und, wenn möglich,
Einmütigkeit zu handeln. Aber ich fand, dass die Entscheidung in diesem Fall zu hart, die Konsequenzen zu gravierend waren, um offen diskutiert zu werden. Diese Entscheidung habe ich ganz allein getroffen. Ich trage die Verantwortung dafür.
Bitte hört euch meine Begründung an. Thomas hat einen Mordversuch verübt. Auf der Erde wäre er, als die Regierung in Denver noch funktionierte, ins Gefängnis gekommen oder einem Sträflingstrupp im Arbeitseinsatz zugeteilt worden, mit dem er unaufhörlich Deiche oder Auffanglager für Eye-Dees gebaut hätte. Und wenn es ihm gelungen wäre, Jack Shaughnessy zu töten, wäre er dafür vielleicht sogar hingerichtet worden. Was also sollten wir hier mit ihm machen? Wir haben solche Fragen auf der Akademie diskutiert – die Kandidaten unter euch werden sich daran erinnern –, aber auch während der Reise zum Jupiter, als wir noch unter der Schirmherrschaft von Gunnison standen. Zudem haben wir einen Präzedenzfall, nämlich Gordo Alonzos Urteil aus dem Jahr ’43, als Jack Shaughnessy seinerseits Thomas angegriffen hatte. Jack wurde wieder an die Arbeit geschickt.« Sie warf Venus einen Blick zu. »Wie Venus mir unablässig ins Gedächtnis gerufen hat, ist Thomas ihr bester Astronom. Wir brauchen ihn wieder in der Kuppel, damit er hilft, weitere Informationen über die Erde II zu sammeln. Wir können ihn nicht einmal sozial isolieren, weil wir seine Gene benötigen. Aber sein Verbrechen ist schwer, es hätte uns alle beinahe das Leben gekostet, und ich glaube nicht, dass wir einfach so zur Tagesordnung übergehen können. Also, was sollten wir tun?
Ich habe einige Recherchen im Archiv angestellt. Wir sind nicht die einzige Gesellschaft, die jemals vor einer solchen Herausforderung gestanden hat – trotz Ressourcenknappheit vor die Aufgabe gestellt zu sein, mit einzelnen Übeltätern fertigzuwerden.
Das mittelalterliche England beispielsweise, aber auch Westeuropa. Sie haben sich Strafen ausgedacht, mit denen der Verbrecher bis ans Ende seiner Tage leben musste, die einerseits eine sichtbare Abschreckung für andere waren, ihn andererseits aber nicht an der Arbeit hinderten. Und darum …« Sie warf Masayo einen Blick zu. »Du kannst ihn jetzt rausholen.«
Masayo sah aus, als wäre ihm äußerst unbehaglich zumute, fand Holle. Er zog sich zu der Tür der Kabine hinter Kelly hinüber, aber bevor er sie öffnete, blickte er mit verschränkten Armen und gereckter Brust in die Runde. »Ich will nicht, dass es deswegen Ärger gibt. Wir alle müssen bei dieser Sache die Ruhe bewahren, ganz gleich, was ihr empfindet. Okay?«
Venus schaute wütend drein. Wilsons Augen waren kalt und wachsam. Zane wirkte belustigt.
Masayo öffnete die Kabinentür. Im Innern war es dunkel. »Komm raus!« Er hielt sich am Türrahmen fest, um das Gleichgewicht zu wahren, und streckte einen Arm in die
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