Die Letzte Arche
III erreichten. Aber für sie war es eine Frage des Glaubens. Und es gab Leute wie Steel Antoniadi, die ihr ganzes Leben von der Geburt bis zum Tod auf der Arche verbracht hatten, ohne jemals irgendetwas außerhalb ihrer Hülle zu erleben. Welchen Unterschied hatte es für sie gemacht, ob all das real gewesen war oder nicht?
Zanes theoretische Konstrukte ähnelten einer Horrorstory; Helen verspürte einen angenehmen Schauder. Aber seit dem Blow-out verstieß es gegen die Schiffsgesetze, Zane zuzuhören.
»Deshalb dürfen die Kinder nicht herkommen und dich besuchen, wenn du so redest.«
»Ach, die Kinder. Ich bin immer noch der schwarze Mann des Schiffes, was? Aber ich vermisse diese Sitzungen, bei denen wir uns damals unsere Träume erzählt haben.« Er warf einen Blick auf ihren Bauch, wo der Overall eine leichte Wölbung erkennen ließ. »Kriegst du auch wieder eins?«
Sie lächelte. »Wir haben’s gerade noch rechtzeitig geschafft. Holle will ein Empfängnismoratorium von hier an bis zur Erde III. Sie möchte nicht, dass wir mit Neugeborenen an Bord landen.«
»Das ergibt einen gewissen paranoiden Sinn. Ein Schwesterchen für Mario?«
»Ein Bruder.«
»Ein weiterer Sohn für Jeb. Das wird ihm gefallen.«
»Vermutlich«, sagte sie desinteressiert. Jeb Holden, ehemals einer von Wilsons Schlägern, war nicht ihre erste Wahl als Vater ihrer Kinder gewesen – und sie als Mutter auch nicht seine, wie sie wusste. Schließlich war er ungefähr in Zanes Alter, fast sechzig, viel älter als Helen. Aber Holle hatte, einer eigenen demografischen Logik folgend, alle ermutigt, fleißig Babys zu produzieren, und die zehn Jahre seit dem Blow-out hatten eine ganze Schar neuer kleiner Kinder aufwachsen sehen, die Schiffsgeborenen der zweiten Generation. Helen konnte sich schwerlich abseits halten. »Vergiss nicht«, hatte Grace mit gezwungenem Lächeln gesagt, »ich hatte auch nicht die Möglichkeit, mir deinen Vater auszusuchen. Und meine Mutter hatte ebenfalls keine Wahl, was den Mann betraf, der mich gezeugt hat.« Grace hatte ihre Tochter umarmt. »Aber dafür haben wir uns gar nicht so schlecht gemacht, stimmt’s?«
»Jeb ist in Ordnung«, erklärte Helen jetzt. »Er kommt aus gutem Hause, denke ich. Wir haben Mario nach Jebs Vater benannt, einem Farmer, der bei einem Eye-Dee-Blitzkrieg gestorben ist – so kam es, dass Jeb schließlich auf einem Floß um sein Leben kämpfen musste. Wilson hat einen schlechten Einfluss auf ihn gehabt.«
»Und wie willst du den Neuzugang nennen? Wie hieß dein Vater noch gleich – Hammond?«
Helen lächelte. »Meine Mutter will nichts davon hören. Wir denken daran, ihn Hundred zu nennen. Wenn er zur Welt kommt, werden wir nämlich gerade hundert Lichtjahre von der Erde entfernt sein.«
Er stöhnte. »Diese erfundenen Schiffernamen! Ich kann sie nicht ausstehen.«
Sie schwebte zur Tür. »Ich muss weg. Du kannst den Kopf ein paar Tage behalten. Lass ihn nicht schmelzen.«
»Oh, keine Sorge.« Zane starrte in die Augen der Skulptur, als suchte er dort Antworten.
Sie verspürte einen seltsamen Impuls, ihn zu umarmen. Aber bei Zane wusste man nie so genau, wen man umarmte. »Du wirst hoch geschätzt, weißt du.«
»Ach, wirklich?«
»Du bist immer noch die Autorität auf dem Gebiet des Warp-Generators. Wir brauchen dich.«
»Nein«, sagte er. »Komm schon. Du weißt so gut wie ich, dass unser Flug zur Erde III, was die Warp-Mechanik betrifft, vom Start an einprogrammiert war.«
»Aber wenn der Warp während des Flugs ausfiele …«
Er lachte. »Wenn das passieren würde, wären wir alle höchstwahrscheinlich auf der Stelle tot. Nein, mit meiner Nützlichkeit war es in dem Moment vorbei, als sich die Warp-Blase bei der Erde II erfolgreich aufgebaut hatte.«
»Für mich bist du nützlich, wenn man es so ausdrücken will. Ich mag die Gespräche mit dir.«
»Das ist sehr nett von dir. Aber deine Kinder wachsen heran, und wenn ihr die Erde III erreicht und das großartige Projekt in Angriff nehmt, eine neue Welt aufzubauen …« Er schien wieder zu sich zu kommen. »Mir geht’s gut. Kümmere du dich mal lieber um deinen kleinen Jungen. Na los, geh schon!«
91
»Der entscheidende Hinweis waren die Ruinen auf der Erde II«, sagte Venus leise. »Denkt darüber nach. Die erste Welt, zu der wir kommen, der erste jemals von Menschen besuchte Exoplanet, und wir finden Ruinen, Spuren einer längst vergangenen Zivilisation. Das Prinzip der Mittelmäßigkeit bestimmt, dass es so
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