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Die Letzte Arche

Die Letzte Arche

Titel: Die Letzte Arche Kostenlos Bücher Online Lesen
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– das, was uns als Menschen ausmacht, nehmen wir mit.«

    Magnus Howe nickte. »Ein guter Beitrag. Ihr alle außer Holle bleibt abstrakt – ihr redet davon, wie ›die Crew‹ auf diverse Stimuli oder deren Fehlen reagieren wird. Nur Holle sagt ›wir‹ . Nur Holle scheint zu erfassen, dass es nicht darum geht, das Verhalten irgendwelcher Opfer eines psychologischen Experiments vorherzusagen. Es geht um euch – zumindest um einige von euch, die das alles hier vielleicht überstehen und an Bord der Arche gehen werden. Wie werdet ihr reagieren? Schaut in euch selbst hinein.«
    Das brachte sie für kurze Zeit zum Schweigen. Dann sagte Susan Frasier: »Die Erde. Ich denke, egal, wie weit ich reise – selbst wenn es Lichtjahre sind –, ich werde immer an die Erde zurückdenken. So wie ich an meine Mutter zurückdenke.«
    »Ja.« Magnus Howe nickte heftig. »Die Erde, der Planet, der seine Lebensfracht vier Milliarden Jahre lang geformt hat, bevor auch nur einer der Anwesenden in diesem Raum hier geboren wurde. Zweifellos wird keiner von euch sie jemals aus seinen Gedanken und seinem Herzen verbannen.«
    »Aber die Erde hat uns verraten«, wandte Wilson Argent ein. »Mag sein, dass sie unsere Mutter ist, aber jetzt ersäuft sie uns.«
    »Das ist kein Verrat«, entgegnete Susan. »Nicht unbedingt. Es ist bloß eine Veränderung, eine evolutionäre Entwicklung der Daseinsform der Erde. Ein Übergang von einem Klimazustand in einen anderen.«
    »In dieser Unterrichtsstunde diskutieren wir über den Abschied von der Religion«, sagte Howe. »Da wäre es unangebracht, die Erde zu vergöttlichen; die Erde ist sicherlich ein sich selbst organisierendes System, aber kein bewusstes Wesen. Es gibt jedoch eine Denkschule, derzufolge wir einfach die Weisheit der unbewussten Anpassung der biologischen und physikalischen Zyklen der Erde akzeptieren sollten.«

    Don Meisel sprang sofort darauf an. »Das ist Dulder-Geschwätz. Sind Sie ein Dulder, Mr. Howe?«
    Sofort entstand eine starke Spannung. Die eher nebulöse Philosophie, die als »Dulder-Denken« bekannt geworden war, beruhte auf einem Bibelzitat: »Ein Geschlecht geht dahin, und ein anderes kommt; aber die Erde bleibt ewig stehen« – Prediger 1, Vers 4. Sie war aus einer Art Erschöpfung geboren, zwanzig Jahre nachdem die weltweite Überschwemmung ihre ersten störenden Auswirkungen auf die Angelegenheiten der Menschen gehabt hatte. Vielleicht, argumentierten manche, sollte sich die Menschheit einfach in ihr Schicksal fügen. Die Regierung betrachtete solches Gedankengut als Begründung dafür, keine Steuern mehr zu bezahlen, und ging scharf dagegen vor.
    In der Akademie war Dulder-Geschwätz als Ausdruck einer Denkweise verpönt, die das Projekt zweifellos ebenso sabotieren konnte wie die Aktionen unzufriedener Eye-Dee-Terroristen. Folglich wog Dons Beschuldigung schwer; Howe konnte seinen Job verlieren.
    Aber der Lehrer lächelte nur. »Die Frage lautet, was in euren Herzen ist – und was in Zukunft dort sein wird, wenn die Erde nicht mehr als eine Erinnerung für euch ist. Versteht ihr? …« Sein Handy klingelte. Im Unterricht sollten die Handys so eingestellt sein, dass sie nur Anrufe mit höchster Priorität annahmen. Howe runzelte die Stirn und holte das Handy aus seiner Tasche.
    Dann klingelte Kelly Kenzies Handy.
    Und das von Don. Und von Wilson. Die Bildschirme der Laptops und Handhelds leuchteten ebenfalls auf.
    Und schließlich klingelte auch Holles Handy. Es zeigte eine schlichte SMS ihres Vaters: Sie sollte sofort zum Capitol kommen, wo Präsidentin Vasquez eine Rede halten würde.

15
    Die Menge, die sich vor den Stufen des State Capitol um den sauberen Obelisken des Veteranendenkmals versammelt hatte, war kleiner, als Holle vielleicht erwartet hätte: nur ein paar Hundert Leute. Eine ausgewählte Gruppe, aber die meisten derjenigen, die den innersten Zirkeln des Arche-Projekts angehörten, schienen dort zu sein.
    Auch Präsidentin Vasquez war bereits anwesend, als die Kandidaten eintrafen. Sie war eine stämmige Frau in einem dunkelblauen Kostüm, und sie stand hinter einem leichten Podium mit dem Präsidentensiegel darauf. Ihre Begleitung bestand aus Militärs, Polizisten, Vertretern der Stadtregierung und Sicherheitsleuten in Zivil. Vasquez schaute in regelmäßigen Abständen auf ihre Armbanduhr und sprach mit einem Mann in einer blauen Luftwaffenuniform. Er mochte um die sechzig sein, ein gebräunter, sehr fit wirkender Mann mit strenger Miene.
    Es

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