Die Letzte Arche
Colorado aus ins All zu fliegen. Und aus diesem Grund, wegen dieses erstaunlichen, wunderbaren, hoffnungsvollen Ziels hat meine Regierung Sie mit Freuden unterstützt. Und auch wegen der Synergie. Falls es irgendwann einmal ein sinnvolles Wiederaufbauprogramm gibt, wird die Nation ein Raumfahrtzentrum brauchen.
Doch nun ändern sich die Dinge. Die Flut lässt nicht nach, falls Ihnen das noch nicht aufgefallen ist. Allein im letzten Jahr ist das Wasser um weitere siebzig Meter gestiegen. Siebzig Meter! Und dieser senkrechte Anstieg übersetzt sich in weitere enorme Geländeverluste, weil das Wasser auf allen Kontinenten landeinwärts vordringt.« Sie schüttelte den Kopf. »Manchmal steige ich morgens aus dem Bett, schaue mir den täglichen Lagebericht an und kann immer noch nicht glauben, womit wir fertigwerden müssen.«
Holle staunte darüber, dass eine Präsidentin so mit ihnen sprach.
»Doch fertigwerden müssen wir damit, so gut wir irgend können. Ich überprüfe und revidiere ständig meine Prioritäten. Und da die Flut uns weiter bedrängt, werden ehemals abseitige Optionen für den schlimmsten Fall langsam realistischer und bedeutsamer. Denn am Ende könnten diese extremen Optionen das Einzige sein, was uns noch bleibt.
Und das bringt mich zur Arche Eins.« Unerwartet schlug sie mit der geballten Faust aufs Podium; das laute Rückkopplungsgeräusch ließ Holle zusammenfahren. »Was hier vorgeht, ist einfach inakzeptabel. Chaotische Organisationsformen, Führungsmangel, Verschwendung, interne Streitereien und allgemeine Verwirrung strangulieren dieses Projekt. Seit der ersten Konferenz, dem Startschuss zu der ganzen Sache, hatten Sie sieben Jahre Zeit. Ist das richtig? Sieben Jahre. Wie ich höre, haben Sie überhaupt erst vor zwei Jahren ein realisierbares Konzept hinbekommen – ich sage ›realisierbar‹; meinem wissenschaftlichen Berater zufolge bedeutet das in diesem Fall lediglich, dass es nicht gegen die Gesetze der Physik verstößt. Und Sie haben noch nicht einmal eine Feuerwerksrakete von Gunnison aus gestartet. Sieben Jahre! Um den Sieg im Zweiten Weltkrieg zu erringen, brauchte man nur vier.«
»Sechs«, sagte Patrick mit seinem sanften schottischen Akzent leise zu Holle.
Einen von panischem Schrecken erfüllten Moment lang war Holle davon überzeugt, dass die Präsidentin das Arche-Projekt endgültig beerdigen würde.
Aber Vasquez sagte: »Hier wird sich einiges ändern. Ab sofort ist es mit der zivilen Verwaltung von Arche Eins vorbei. Per Präsidentenerlass beschlagnahme ich hiermit das Projekt samt Personal und sämtlichen Ressourcen. Von nun an wird Arche Eins unter der Schirmherrschaft der Air Force betrieben. Gegebenenfalls werden dem Projekt Berater der NASA und anderer Organisationen zugeteilt, aber auch das unter dem Oberbefehl der Luftwaffe. Wenn Sie die Nachrichten verfolgt haben, werden Sie vielleicht feststellen, dass dies für meine Regierung durchaus nichts Ungewöhnliches ist. Letztes Jahr habe ich ähnlich drastische Maßnahmen ergriffen, als ich das Militär und die Nationalgarde
in diese Friedmanburgs in den Great-Plains-Staaten geschickt habe. Zum Ausgleich werde ich Ihnen die Mittel verschaffen, Ihre Arbeit zu beenden, selbst wenn in einem Jahr, nach der Wahl, irgendein anderes Arschloch hier steht und zu Ihnen spricht. Lassen Sie mich damit beginnen, dass ich der Sache einen persönlichen Stempel aufdrücke. ›Arche Eins‹ ist ein ziemlich trockener Name, finden Sie nicht? Zahlen haben mein Herz noch nie sonderlich schnell schlagen lassen. Von nun an sind Sie ›Projekt Nimrod‹. Sie werden schon herausfinden, warum.«
Vasquez zog ein Taschentuch hervor und tupfte sich die Stirn ab; einen Moment lang sah sie wie eine müde alte Frau aus. Niemand sagte etwas; es war völlig still, bis auf eine Brise, die leise in den Schnüren der beiden Flaggen sang.
»Sie fragen sich vielleicht, warum ich Ihr Projekt nicht einfach beende. Manche setzen sich dafür ein, dass mehr Mittel für potenzielle Wiederaufbauprojekte statt für ›Letzte Zuflucht‹-Optionen wie diese bereitgestellt werden. Selbst unter den Pessimisten gibt es welche, die der Ansicht sind, ich sollte alles, was von unserer Infrastruktur noch übrig ist, für praktischere Aktivitäten wie beispielsweise den Floßbau verwenden. Ich glaube allerdings immer noch, dass wir zu mehr imstande sind.« Sie hielt inne und ließ den Blick über ihr Publikum schweifen. Holle verspürte eine eigenartige Erregung, als
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