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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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aber heute bin ich nicht dran. Du kannst ja selbst mal versuchen, dir eine Wohnung mit vier Frauen zu teilen. Glaub mir, deine Hygiene leidet ziemlich darunter. Ich atme ein und aus, ein und aus, höre seine Worte immer wieder, versuche mich darauf zu konzentrieren, mich zu erinnern.
    Dann plötzlich ein Höllenlärm und ich falle vor Schreck aus dem Bett … aber es ist großartig, es ist gut so, es ist erstaunlich, denn dieses Geräusch ist das fröhliche Gebell eines Hundes! Das ist Meg! Sie springt mich an und leckt mir übers Gesicht und ich drücke sie fest an mich und atme ihren staubigen Geruch ein. Ihren wunderbaren, wunderbaren Geruch.
    Ich weiß, dass sie keine Halluzination ist. Nichts könnte wirklicher sein als Meg. Aber was macht sie hier? Sie kann nicht quer durchs Land meine Spur aufgenommen haben, durch die Straßen von Birmingham und dann den Fahrstuhl rauf?
    Meg schnüffelt an mir herum; wäre sie eine Katze, würde sie jetzt bestimmt schnurren. »Was machst du denn hier, mein Mädchen?«, frage ich ihre weichen Ohren, ihre glänzenden braunen Augen. »Wie hast du mich gefunden?«
    Meine Mum steht in der Zimmertür. »Also«, sagt sie,»ich hätte nie gedacht, dass du mal so versessen auf einen Hund bist.«
    Ich bin immer noch nicht über den unverschämten Diebstahl der Playstation hinweg. Ich ignoriere sie und konzentriere mich darauf, Meg den Bauch zu kraulen.
    »Patrick und Helen möchten, dass du ein paar Tage bei ihnen bleibst.« Sie sagt es mit total neutraler Stimme, als würde sie gerade die offiziellen Fußballergebnisse im öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorlesen.
    » Was? Als ich beim letzten Mal dort war, hast du dich angestellt, als wäre ich entführt worden.«
    Sie ist ein bisschen rot geworden. »Ja, aber jetzt ist es etwas anderes. Ich glaube, dass du einen Tapetenwechsel brauchst. Aber willst du dich nicht anziehen und Patrick Guten Tag sagen?«
    Ach du Schreck. Ich höre seine Stimme in der Ferne grummeln. Ich weiß immer noch nicht, wie ich ihm unter die Augen treten soll.
    Fünf Minuten später schleiche ich ins Wohnzimmer. Meg geht neben mir. Patrick steht mitten im Zimmer und betrachtet einen großen, feuchten Fleck, der einen dunklen, schimmligen Schatten an die Wand malt. »Das ist hier absolut gesundheitsschädlich«, sagt er gerade zu Louise. »Ehrlich, diese Wohnblöcke sollten alle abgerissen werden. Kein Wunder, dass sich manche Leute, die darin wohnen, wie Tiere benehmen. Ach, hallo, Ty.«
    Das gefällt mir an Patrick. Er verstellt sich nicht. Wir haben alle bisher so getan, als ob der Fleck nicht existierte. Patrick sagt einfach, was er denkt. Ich grinse ihn breit an.
    »Schöne Weihnachten verlebt?«, erkundigt er sich und betrachtet mich von oben bis unten. Auf einmal bin ich mir meiner ungewaschenen Haare und der zerknitterten Jeans bewusst.
    »Äh … ja, schon.«
    »Hab gehört, es hat ein paar Unstimmigkeiten im Familienkreis gegeben.« Patrick hebt fragend die Augenbrauen.
    Verdammt. Mum muss sich echt Sorgen wegen meiner Spiele gemacht haben, dass sie Patrick gleich davon erzählt hat. Die Schwangerschaft hat ihre Gehirnzellen aufgeweicht.
    »Pack doch rasch deine Tasche, Ty«, sagt sie und pflückt Hundehaare vom Sofa. Sie sieht aus, als würde sie bereits bedauern, dass sie Patrick und Meg zur Tür hereingelassen hat.
    Ich schleiche mich davon, um ein paar Sachen in einen Rucksack zu stopfen, lasse aber die Tür auf, damit ich höre, worüber sich die beiden unterhalten. Eigentlich ist das gar nicht nötig, weil Patricks Stimme so laut ist, dass ihn sogar die Leute über uns hören können, die mit dem höllischen Lautsprechersystem.
    »Hier ist kein guter Ort für ein Baby, Nicki«, sagt er, und zuerst bin ich völlig verdutzt, weil ich glaube, er meint mich. Erst dann kapiere ich’s. Ihre Antwort kann ich nicht verstehen, aber ich weiß, dass sie irgendwas mit Geld zu tun hat. Arme Leute können nun mal nicht wählerisch sein, so was in der Art. Das hat sie in letzter Zeit öfter gesagt.
    »Du kannst von meinem nichtsnutzigen Sohn noch für fünfzehn Jahre Unterhalt abzapfen«, dröhnt Patrick. »Nach allem, was ich weiß, hat er mit seiner sogenannten Musik ein kleines Vermögen verdient, und ich glaube nicht, dass er alles durch die Nase gepfiffen hat. Dass du damals kein Geld von ihm nehmen wolltest, muss noch lange nicht heißen, dass du jetzt immer noch keins nimmst.«
    Murmel, murmel von meiner Mum. Louise sagt: »Da hat er nicht ganz unrecht,

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