Die letzte Aussage
Diebstahl !« Ich drücke mich allerdings ein bisschen anders aus. Ich glaube, meine Mum hat mich noch nie so fluchen gehört.
»Wie witzig«, sagt sie. »Das ist kein Diebstahl. Mach dich nicht lächerlich. Danny und ich haben uns mit Gran unterhalten,und wir waren alle der Meinung, dass du zu viel Zeit in deinem Zimmer mit der Playstation verbringst.«
Unglaublich. Unglaublich. Die drei haben sich gegen mich verschworen.
»Verdammt noch mal!« Sogar ich merke, dass ich mich schrill anhöre, hysterisch und ein bisschen geistesgestört. Ich ändere meine Taktik und versuche es auf die vernünftige Tour. »Na schön, vielleicht habe ich es ein bisschen übertrieben. Ich werde mich einschränken … auf ein paar Stunden am Tag … bitte, Nic, bitte …«
»Nein«, sagt sie. »Kalter Entzug. Ganz neue Vorsätze. Das passt doch gut zum Jahreswechsel.« Sie lacht ein bisschen über ihren eigenen lahmen Witz. »Gran bringt deine Sachen schon in einen gemeinnützigen Laden.«
Was??? »Aber heute ist Feiertag … da sind die Läden zu. Und wie will sie denn einen Fernseher tragen?«
»Sie hat ein Taxi genommen. Die Islamische Hilfe hat den ganzen Tag offen. Normalerweise hätte sie nichts an eine nicht-katholische Organisation gegeben, aber diesmal macht sie eine Ausnahme. Für dich, Ty. Hör mal zu, ich habe mir eine schöne Überraschung für dich ausgedacht …«
Ich unterbreche sie: »Die Islamische Hilfe nimmt das nicht. Du machst wohl Witze. Die finden solche Sachen nicht gut. Außerdem glaube ich, dass gemeinnützige Läden elektronische Sachen überhaupt nicht annehmen. Ruf sie an. Sag ihr, dass sie zurückkommen soll.«
Ein kurzer Zweifel huscht über ihr Gesicht. Dann meldet sich ihr Handy mit einer SMS. Sie liest sie und sagt:»Ach, der Taxifahrer hat ihr gleich fünfzig Pfund für alles gegeben, und jetzt trifft sie sich mit Emma in der Stadt.«
Da hört sich doch alles auf! »Aber das ist Diebstahl ! Ich hasse dich! Und sie hasse ich auch!« Ich trete gegen ein Tischbein und ein Stuhl kippt um. Er fällt ihr aufs Knie und sie zuckt zusammen. »Ty! Das ist kein Grund, hier mit Möbeln herumzuwerfen!«
»Mach ich ja nicht! Das war nicht absichtlich! Du denkst nur an dich! An mich denkst du überhaupt nicht!«
»Ty, wir machen das doch alles für dich. Du kannst dich nicht von allem zurückziehen. Hör mal, ich weiß, dass das alles sehr schwer für dich ist. Ich weiß, dass du Angst hast, von der Polizei belastet zu werden.«
»Ich habe keine Angst! Sei still!«
»Aber du musst doch auch leben! Du musst wieder mit dem Laufen anfangen, mit deinen Sprachen weitermachen, mein Schatz. Du musst dich auf die Schule vorbereiten. Sonst kannst du ebenso gut … einfach …«
Sie unterbricht sich und legt die Hand auf den Mund. Tränen laufen über ihr Gesicht. Die Narbe auf meinem Bauch brennt, als hätte sie jemand aufgerissen und würde sie jetzt mit einer Lötlampe wieder zusammenschweißen.
»Was denn? Tot sein? Vielleicht hättest du mich überhaupt nicht zur Welt bringen sollen!«
»Ty …« Sie schluckt schwer, aber wir sind nicht mehr allein. Louise kommt mit einer Tüte voller Milch und Brot und Eiern herein. »Was ist denn hier los?«, will sie wissen.
»Ty … ist wütend …«, schluchzt meine Mum, und Lou dreht sich zu mir um. »Um Himmels willen. Was hast dugetan?« Sie entdeckt den Stuhl auf dem Boden. »Hast du einen Stuhl nach ihr geworfen? Um Gottes willen, Tyler! Alles in Ordnung mit dir, Nicki?«
»Ich habe … ich habe überhaupt nicht … Sie hat mir alles weggenommen, Lou, meine Spiele und meinen Fernseher und meine Konsole.«
»Ich weiß«, erwidert Lou. »Ich habe ihr dabei geholfen.«
Mein Atem geht in kurzen Stößen. Ich zittere. Dann knalle ich die Faust auf den Küchentisch. »Bringt die Sachen wieder her! Bringt sie wieder, oder ich … ich …«
»Du kannst sofort in dein Zimmer gehen«, sagt Louise mit ihrer patentierten Lehrerinnenstimme. »Du führst dich auf wie ein Fünfjähriger. Reg dich erst mal ab, dann können wir über alles reden.«
Ich muss weg von ihnen, sonst mache ich mich total zum Idioten. Außerdem ist mir kalt, ich zittere ein bisschen. »Ich gehe in mein Zimmer, weil ich es will!«, schreie ich. »Weil ich euch nicht mehr sehen will … euch Verräter … Lügner … Diebe … keine Sekunde mehr!« Dann knalle ich so fest die Tür hinter mir zu, dass die gesamten sechzehn Stockwerke des Wohnblocks erzittern.
Ich sehe nichts anderes als Leere, dort,
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