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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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langsam verrückt gemacht.« Was nicht heißen soll, dass ich mich jetzt weniger verrückt fühle.
    »Wie hat denn alles angefangen?«, will Patrick wissen. »Du sagst, eins gab das andere. Was war denn der erste Schritt in diesen ganzen Schlamassel?«
    Ich weiß nicht genau, was ich darauf antworten soll. Die logischste Antwort wäre das Messer. Das erste Messer. Das Messer, das ich laut Arron zu meinem Schutz brauchte. Ohne dieses Messer hätte ich nicht auf ihn einstechen können. Ohne dieses Messer hätte ich nicht lügen müssen. So gut wie alles wäre völlig anders abgelaufen.
    Ich weiß noch, wie er zu mir gesagt hat, dass ich es unbedingt bei mir tragen soll. Ich habe kurz darüber nachgedacht, sehr lange war’s nicht, dann habe ich es mir einfach in die hintere Hosentasche gesteckt. Am meisten Gedanken habe ich mir darüber gemacht, ob ich mir damit in den Hintern schneiden könne, wenn ich mich hinsetze.
    Aber vielleicht war das nicht der erste Schritt. Vielleicht ging es schon früher los. Vielleicht fing der ganzeStress an dem Tag an, an dem ich beschloss, einfach zu ignorieren, dass Arron an unserer Schule Drogen vertickte. Vielleicht war es auch der Tag, an dem ich ihm durchgehen ließ, dass er mich beschimpfte, dass er mich Muttersöhnchen und Schwuli nannte – und für mich entschied, dass ich damit schon klarkommen würde, solange wir beide nur Freunde blieben.
    Vielleicht ging es sogar bis damals in die erste Klasse zurück, als ich keine eigenen Entscheidungen treffen wollte und stattdessen Arron fragte, was ich tun sollte. Ich gewöhnte mir an, Arron für mich denken zu lassen. Ich bin nie auf den Gedanken gekommen, dass ich vielleicht viel besser selbst für mich entscheiden könne.
    »Ich weiß es nicht«, antworte ich Patrick. »Ich hätte nicht auf meinen Freund hören sollen.«
    »Ach, wirklich? Dann ist also alles seine Schuld gewesen?«
    Vielleicht, denke ich, geht alles auch noch viel weiter zurück, noch bevor Arron und ich Freunde wurden. Vielleicht hat es mit den Dingen zu tun, die ich einfach nicht so richtig auf die Reihe kriege. Dinge, die nichts direkt mit mir zu tun haben, Entscheidungen und Ereignise, die schon vor meiner Geburt passiert sind.
    »Nein«, sage ich langsam. Die Wahrheit ist so kalt, hart und trügerisch wie die kleinen Eisflächen, die unter unseren Sohlen knacken und knirschen. »Nein. Es war meine Schuld. Es war das Messer. Der Tag, an dem ich beschloss, ein Messer zu tragen. Ich dachte, es geht um Selbstverteidigung, aber ich habe das alles nicht zu Ende gedacht.«
    Patrick holt tief Luft, und ich rechne damit, dass er mich total anschnauzt. Ich mache mich auf sein Gebrüll gefasst. Aber dann sagt er: »Das Leben ist jetzt ziemlich brutal, was?«, und einen Augenblick lang denke ich, dass ich einfach nur nicke und sage: »Jepp.« Aber dann höre ich meine schwache, leise, zittrige Stimme, die sagt: »Sie wollten mich umbringen, Grandpère , sie haben mich fast erstochen. Ich habe geblutet … geblutet …«
    Er tätschelt mir den Rücken. »Das ist eine schreckliche Sache«, sagt er. Dann kommt Meg zu uns zurückgerannt und alles ist wieder gut. Es ist wirklich gut. In diesem Moment fühle ich mich absolut wunderbar.
    Im Auto reden wir über Archies neue Schule und Louises neue Arbeit und darüber, welche Prüfungsfächer ich für die zehnte Klasse wählen will. Patrick ist absolut gegen Medienkunde, obwohl ich der Meinung bin, dass ich da einen gewissen Vorsprung hätte, weil ich über einem Zeitungsladen aufgewachsen bin.
    Aber meine Gedanken wandern immer wieder zu Alistair und zu dem, was er über meine Mum gesagt hat, und wie das alles zu dem neuen Kram passt, den ich erfahren habe, und zu all dem alten Kram, den ich schon immer gewusst habe.
    Ich brauche ein paar Antworten. Ich bin hinter der Wahrheit her. Wer aber kann mir die ganze Geschichte erzählen? Und woher soll ich wissen, dass sie der Wahrheit entspricht?

Kapitel 38
Familie
    Auf der Fahrt zum Haus von Patrick und Helen freue ich mich auf Ruhe und Frieden. Keine dröhnenden Bässe, keine streitenden Nachbarn. Platz. Zeit zum Nachdenken. Vielleicht darf ich ja ab und zu mit Meg spazieren gehen; kann sein, dass sie sogar mit mir laufen geht. Vielleicht sehe ich mir mit Patrick ein paar Filme an … außerdem gibt es gerade viel Fußball im Fernsehen.
    Aber in der Einfahrt stehen jede Menge Autos – große, teure Geländewagen. Als wir ins Haus gehen, höre ich das Durcheinander vieler Stimmen

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