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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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verlassen, dass du nicht rausspringst, solange ich weg bin, du Irrer?«
    Ich denke noch über eine Antwort nach, die mir den angesagten Respekt von diesem Kind verschafft, aber ich kriege nur ein schwaches »Ja, klar, Archie, tut mir leid« hin.
    »Gut. Reiß dich zusammen.«
    Ich weiß ja, dass er recht hat. Ich habe mich nicht mehr im Griff. Aber es ist nicht leicht, sich zusammenzureißen, wenn man sich noch nie besonders zusammen gefühlt hat. Ich habe mir immer Gedanken darüber gemacht, wie mich die anderen haben möchten – meine Mum, Gran, mein Freund Arron. Ich habe meine ganze Zeit damit verbracht, darüber nachzudenken, was sie eigentlich wollen. Dabei wollten sie alle etwas anderes. Und ich bin das alles gewesen.
    Nur beim Laufen und wenn ich mit Claire zusammen war, habe ich mich echt und vollständig gefühlt. Wenn ich mich um sie kümmern konnte. Und jetzt kann ich wegen meinem Knöchel und dem Husten nicht laufen, und die neue Claire braucht mich auch nicht mehr, sie vertraut mir nicht mal mehr. Sie hat mir einen Tritt versetzt – ich streiche mit der Hand über den blauen Fleck am Schienbein –, und vielleicht schaffe ich es nie mehr, mich richtig zusammenzureißen.
    Dann fällt mir Ellie ein und wie sie damit klargekommen ist, als sie nach einem Unfall gelähmt war und von da an immer im Rollstuhl sitzen musste. Ich stelle mich an wie ein verhätscheltes Kleinkind, Herrgott noch mal!
    Es klopft an der Tür. Das muss Archie sein. Ich komme mühsam hoch, mache die Tür auf und fühle mich gleich tausendmal besser. Es ist nicht Archie. Es ist mein Freund Brian. Und jetzt kann ich mich auch wieder zusammenreißen – nur dass ich mich halt als Joe zusammenreiße.
    »He, Mann, super! Schön, dich zu sehen.« Wir reden beide gleichzeitig drauflos.
    Er hüpft ins Zimmer, wir klatschen uns ab, dann setzt er sich ans Fenster und ich strecke mich auf dem Bett aus. Ich mache eins der Pakete mit lauwarmen Essig-Pommes auf, die Archie dagelassen hat, und biete Brian welche an. Ich bin halb verhungert.
    »Ich hab’s zuerst nicht geglaubt, als sie gesagt haben, dass du hier bist«, sagt Brian. »Zoe hat mir deine Zimmernummer verraten.«
    »Ich dachte, ihr seid alle beim Pizzafuttern.«
    »Ich hab mich verdrückt. Alle kümmern sich um Claire und niemand hat groß auf uns andere aufgepasst. Ein paar von uns sind in die Spielhalle gegangen, da merkt keiner, dass ich weg bin. Emily hat gesagt, dass sie mir ein Alibi gibt.«
    Als er ihren Namen ausspricht, scheint er zu erstrahlen.
    »Du hast dich prächtig entwickelt, mein Sohn«, sage ich zu ihm.
    Seit ich ihn zuletzt gesehen habe, ist Brian ungefähr zehn Zentimeter gewachsen und er ist auch nicht mehr so speckig wie ein kleiner Junge; außerdem hat er Haargel entdeckt und irgendeine magische, nicht ganz erfolglosePickelcreme. Trotzdem hätte ich gedacht, dass Emily eine Nummer zu groß für ihn ist.
    »Das hab ich dir zu verdanken, echt«, sagt er. »Nachdem du verschwunden warst, wollten alle über dich und Ashley und Claire und das alles reden, und Emily war damals ziemlich eng mit Ashley, und ich und die Jungs, wir haben uns natürlich stark für dich gemacht.«
    »Äääh … danke.«
    »Schon gut. Na ja, wir hatten ja selbst unsere Vorteile davon. Die Mädchen haben uns zum ersten Mal überhaupt wahrgenommen. Und eines Tages hat mich Emily auf die Seite gezogen und gesagt, dass sie wegen Ashley so einige Zweifel hätte, weil sie wusste, dass sie sich gegenüber Claire immer sehr gemein verhalten hat. Und sie, also Emily, würde sich nicht gut dabei fühlen – und wir haben uns lange über alles unterhalten, und auf einmal … na ja … seitdem sind wir jedenfalls zusammen. Wir sind auch zusammen zur Abschlussparty gegangen.«
    »Aha. Cool.« Wir essen die Pommes auf, und weil kein Mülleimer mehr da ist, werfe ich das Papier aus dem Fenster. Ich weiß, Brian hofft, dass ich ihn frage, wie weit er schon gekommen ist, aber ich bin viel zu eifersüchtig, um das jetzt durchzuziehen.
    Nicht eifersüchtig wegen Emily, klar. Eifersüchtig darauf, dass er ein normales Leben führen kann.
    »Max hat gehofft, dass es mit ihm und Becca auch läuft, aber er ist zu klein.«
    »Der arme Max – ein jungfräulicher Zwerg«, kontere ich und wir lachen uns schlapp.
    »Aber jetzt erzähl mal … Wie geht’s dir so? Bist du wirklich wieder nach London gezogen?«
    Er sieht mich irgendwie komisch an, sein Blick springt zwischen meinem Gesicht und den immer noch ein

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