Die letzte Aussage
tun?«
Ich höre ein leises, jaulendes Geräusch. Vielleicht hat er einen kleinen Hund. Ich sehe mich um, und erst jetzt merke ich, dass ich das war. Scheiße. Wie peinlich. Ich lege den Arm übers Gesicht.
»Stand da etwas drauf?«
Mein ganzer Körper bebt. Es muss etwas damit zu tun haben, dass ich schon so lange nichts mehr gegessen habe. Ich schaukle hin und her.
Er rutscht von seinem Stuhl und quetscht sich neben mich unter den Tisch. Er legt mir den Arm um die Schultern. Ich rieche seinen Kaffeeatem. Meine Mum riecht auch immer so, wenn sie Kaffee getrunken hat. Ich will ein Stück wegrutschen, aber ich habe meine Bewegungen nicht mehr richtig unter Kontrolle.
»Ty«, sagt er. »Was hast du denn? Es ist alles in Ordnung. Das war bloß ein Witz. Es hat überhaupt nichts zu bedeuten.«
Verdammt. Möglichkeit c – er ist total durchgeknallt. Ich hasse ihn. Wenn es mir nicht so beschissen gehen würde, würde ich ihn umbringen. Ich würde ihn zerreißen. So aber kann ich lediglich den Kopf wegdrehen und mit den Beinen nach ihm treten und dabei schlage ich mir den Kopf an der Tischplatte an. Mein Schädel hört sich an wie eine zerspringende Porzellanschüssel und ich schreie vor Schmerz laut auf.
»Herrje …«, sagt er. »Hör zu, komm erst mal raus da, damit ich nachsehen kann, was du dir getan hast.« Er zieht mich praktisch unter dem Tisch hervor. Ich halte mir den gebrochenen Kopf und merke, dass mir dicke fette Tränen übers Gesicht laufen. Aber darüber mache ich mir die wenigsten Sorgen, wenn man bedenkt, dass ich jetzt garantiert eine Gehirnoperation brauche.
Er schaut wieder in den Kühlschrank. »Ach herrje … wir haben keine tiefgefrorenen Erbsen oder so was … vielleicht Eis.« Er drückt mir ein zerknittertes Geschirrtuch auf den Kopf und ich jaule wieder vor Schmerz auf. Ein Eiswürfel rutscht mir an der Nase runter. »Verflixt«, sagt mein Dad. »Tut mir leid. Ich bin nicht sehr gut in so was.«
Das kann er laut sagen. Ich gebe mir alle Mühe, nicht weiter zu schniefen, aber das ist gar nicht so einfach. Er tastet vorsichtig meinen Kopf ab. »Du hast da eine dicke Beule, groß wie ein Ei«, sagt er, und ich zittere schon wieder. Ich war mir sicher, dass der Schädelknochen kaputt ist … ganz sicher … so was von sicher … aber ich habe mich getäuscht. Ich kann nicht mal die Botschaften meines eigenen Körpers richtig deuten.
»Hör mal«, sagt er, »hör mal zu. Du brauchst keine Angst zu haben. Es ist wirklich nichts Schlimmes passiert.« Er hält mir die ganze Eierschachtel vor die Nase. Ich starre sie an.
Auf jedem Ei steht etwas geschrieben. Jemand hat einen schwarzen Filzstift dazu benutzt. Auf einem steht Finger weg. Auf einem anderen Danny. Auf dem dritten steht Sachen oder. Das vierte ist lediglich mit einem Ausrufezeichen versehen. Mein Dad holt das letzte Ei vom Tisch und setzt es wieder in die Schachtel. Die Schrift lautet von meinen.
»Was hat auf deinem gestanden?«, fragt er.
»Ähmm …« Ich habe immer noch nicht ganz kapiert, was hier eigentlich vor sich geht.
»Ich bringe dich um? So was in der Art?«
»Du bist tot.«
»Ach, Ty. Das tut mir sehr leid.« Er grinst selbstgefällig.
»Hast du das geschrieben?«
»Nein, das hat jemand für mich geschrieben. Danny, Finger weg von meinen Sachen oder du bist tot! Das ist ein Witz. Ich bin viel weg, und wenn ich zurückkomme, kaufe ich nicht oft ein, und die Mädchen, mit denen ich hier wohne, sind davon genervt, wenn ich ihre Sachen esse. Guck mal.« Er macht den Kühlschrank auf und holt eine Schale mit Weintrauben heraus. Auf einer klebt ein Post-it. Wenn du dich an meinen Trauben vergreifst, reiß ich dir die Eier ab. Mein Dad zupft eine Traube ab und steckt sie sich in den Mund. Er grinst mich an, die Traube zwischen seinen weißen Zähnen, dann isst er sie auf. »Siehst du, wie mutig ich bin?«
Jetzt muss ich grinsen, obwohl ich es gar nicht will. Die Tränen versiegen, Gott sei Dank. Es ist so verdammt erleichternd, dass ich die Möglichkeiten a) bis d) ausschließen kann, dass es mir gar nichts mehr ausmacht, ob er mit absoluten Psychopathen zusammenwohnt oder nicht.
»Wer sind die? Diese Mädchen?«
»Eine heißt Tess und eine Lucy«, sagt er und mampft weiter Weintrauben. Er bietet mir auch welche an. Ich nehme eine, dann noch eine. Sie sind echt süß.
Ich komme immer noch nicht ganz klar damit, dass mein Dad mit zwei Mädchen zusammenwohnt. Dafür gibt es eine Bezeichnung, ich komme nur nicht
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