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Die letzte Aussage

Die letzte Aussage

Titel: Die letzte Aussage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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ihn«, sagt eine Männerstimme. »Festhalten … jetzt ziehen …«
    Jemand hält mich um die Taille und ich zittere, habe zu viel Angst, um die Augen aufzumachen. Ich warte auf den Schlag. Warte darauf zu sterben.
    Aber dann rutschen meine Beine wieder auf die Innenseite des Balkons und ich kippe nach vorne, pralle gegen die Motorradjacke, und wir taumeln beide auf den Balkonboden. Wir liegen, mit feuchten Unterhosen dekoriert, zwischen den Topfpflanzen, und jetzt erkenne ich die Stimme. »Ist ja gut. Ganz ruhig. Alles ist gut.«
    Es ist mein Dad.
    Ich schnappe wie ein Ertrinkender nach Luft und bemühe mich, das zu tun, was er sagt, ruhig zu bleiben, mich zu beruhigen, alles ist gut, ruhig bleiben, ganz ruhig. Ich bin aber überhaupt nicht ruhig. Er legt die Arme um mich. »Alles in Ordnung«, murmelt er in meine Haare. »Alles wird wieder gut.« Seine Stimme ist fest und beruhigend. Seine Jacke fühlt sich an meiner Wange glatt und kalt an. Nach und nach höre ich auf zu zittern. Mein Atem beruhigt sich.
    Langsam, ganz vorsichtig, lösen wir uns voneinander. Dann stehen wir auf. Er stellt sich zwischen mich und das Geländer, hält mich an einem Arm fest, als wir zurück in die Wohnung gehen.
    »Meine Fresse, Mann«, sagt Nathan, »ich dachte schon, du springst da runter. Was hast du denn da draußen gemacht?«
    Ich schüttele den Kopf. Ich weiß nicht, ob ich schon reden will.
    »Das hier ist dein Dad, oder?«, fragt Nathan. »Der Sportanwalt … Ich bin runtergegangen, um ihn zu überprüfen, um rauszufinden, ob er auch tatsächlich dein Dad ist. Er sieht jedenfalls aus wie du. Ty hat uns schon viel von Ihnen erzählt«, fügt er hinzu. Mein Dad blickt ihn ein bisschen verdutzt an.
    »Das ist … ja, das ist mein Dad«, sage ich. »Ich dachte … die sind das. Jukes’ Vater. Ich wollte runterklettern.«
    »Mensch, Ty, vielleicht solltest du nicht so viel denken«, fährt mich Nathan an. »Du denkst jedes Mal das Falsche.«
    Ich lasse den Kopf sinken, mit dem Kinn bis auf die Brust. Mein Dad bedankt sich bei Nathan für seine Hilfe, erkundigt sich, ob ich irgendwelche Sachen dabeihatte, und nickt, ja, stimmt, in der Transfersaison hat er immer sehr viel zu tun.
    Dann drückt er mir einen Motorradhelm in die Hand, sagt: »Setz ihn auf«, und wir sind draußen, im hellen Tageslicht. Jeder kann uns sehen … aber die Helme sind zugleich Schutz und Tarnung. Eine Superidee.
    Wir gehen die Treppe runter auf den Bürgersteig, mein Dad geht um die nächste Ecke und dort steht ein silbernes Riesenteil von Motorrad. Er zeigt auf die Sitzbank, ich soll mich hinter ihn setzen. Dann fädeln wir uns durch den Verkehr, fahren an unserer alten Wohnung vorbei, fahren nach Hackney hinauf und wieder raus, fahren immer schneller und schneller … vorbei am neuen Stadion von Arsenal … und dann vorbei am Bahnhof Finsbury Park.
    Ich klammere mich an ihm fest und weiß gar nicht genau, ob ich Angst habe oder nur aufgeregt bin, glücklich oder traurig. Momentan zählt nur die Geschwindigkeit. Die Luft reißt an meinem Körper, meine Nase läuft, die Augen tränen. Meine Hände sind vor Kälte ganz blau, und ich bin sicher, dass meine Arme im nächsten Moment taub werden und ich runterfalle. Es ist einfach herrlich … wie die beste Achterbahnfahrt aller Zeiten. Ich frage mich, ob mein Dad mir das Motorrad einmal leihen würde. Als er in eine Straße mit lauter roten Backsteinhäusern einbiegt, langsamer wird und schließlich anhält, bin ich irgendwie enttäuscht.
    »Da wären wir«, sagt er, nimmt den Helm ab, schiebt das Motorrad in den Vorgarten eines riesigen Hauses. Ich bin total verwirrt. Wohnt er hier? Was hat ein Loser wie er in einem solchen Haus zu suchen? Wer in London ein dermaßen großes Haus besitzt, muss mindestens Millionär sein. Vielleicht ist mein Dad ja wirklich reich … vielleicht ist er … mein Gott, wer fährt in London schon solche Motorräder? Er ist Drogenhändler … mein Dad ist Drogenhändler.
    Dann beschließe ich, dass ich meine wilden Spekulationen lieber sein lasse, die Klappe halte und erst mal abwarte.
    »Lass den Helm auf«, sagt er. »Bis wir drin sind.« Er schließt die Haustür auf, die in eine große Diele führt, von der zwei weitere Türen abgehen, und diejenige, die mein Dad aufmacht, führt offensichtlich in eine Wohnung, denn ich sehe eine Treppe. Also ist er doch nicht unbedingt Millionär. Puh! Es sei denn, er ist nur ein Schmalspurdrogenhändler.
    Die Wohnung ist echt schön. Das

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