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Die letzte Chance - Final Jeopardy

Titel: Die letzte Chance - Final Jeopardy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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weiterzuarbeiten. Keine komplizierte Angelegenheit, ein typischer >Gelegenheitsüberfall<, der in eine Vergewaltigung eskalierte. Mein Notizblock füllte sich rasch mit dem Entwurf meiner Antworten auf das vom Verteidiger im Vorfeld des Strafverfahrens gestellte Informationsbegehren. Ich blätterte die Klageschrift nach der exakten Tatzeit durch, dann suchte ich die laufende Nummer aus dem Verhaftungsprotokoll des Reviers heraus. Wie die meisten ausländischen Vergewaltiger hatte der 34jährige Ervilio Vargas ein Vorstrafenregister, das bis in seine frühe Jugend zurückreichte. Zuerst Schwarzfahren und Autoknacken, dann Einbrüche, schließlich Kapitalverbrechen mit Waffengewalt und nun also Vergewaltigung der Frauen, die das Pech hatten, ihm bei seinen Einbrüchen über den Weg zu laufen. Er hatte in städtischen und staatlichen Gefängnissen gesessen. Nach seiner letzten Verurteilung wurde er zwar vorzeitig und unter Auflagen entlassen, aber er war stets nach kurzer Zeit wieder rückfällig geworden. Ich hatte vor, ihn als >unverbesserlichen Kapitalverbrecher< anzuklagen - schließlich hatte er über fünf Kapitalverbrechen auf seinem Konto. Ich wollte auf lebenslänglich plädieren, ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung. Er hatte bereits zu viele Menschenleben ruiniert und mehr Chancen bekommen, als er verdiente. Das Opfer war sehr kooperativ und ebenfalls darauf erpicht, daß Vargas aus dem Verkehr gezogen wurde. Wenn der ganze Papierkrieg rasch über die Bühne ging,
könnten wir den Prozeß noch vor der Weihnachtspause durchziehen. Prost Neujahr, Ervilio.
    Ich hatte über eine Stunde gearbeitet, als das Telefon läutete. Ich freute mich, als ich die Stimme meiner besten Freundin hörte. Es gab nichts Angenehmeres, als mit Nina zu plaudern. Vom ersten Tag in Wellesley an hatten wir uns verstanden und einander bei allen bedeutenden Ereignissen und trivialen Details im Leben begleitet. Wir hatten nur sehr wenige Geheimnisse voreinander. Nina war so einmalig, weil ihre Freundschaft absolut bedingungslos war. Sie fällte keine Urteile, erhob keine Forderungen, hegte keinen Groll - sie war schlicht eine loyale und liebevolle Freundin.
    »Ich weiß ja, wie sehr es bei dir zur Zeit drunter und drüber geht, Alex, aber du hättest dich wirklich mal melden können. Keine Anrufe, keine Nachrichten, keine Karten... Was ist los?«
    »Mir geht’s gut, Nina, ehrlich.« Sie spielte darauf an, daß wir ständig miteinander in Verbindung standen und daß jede stets genau wußte, wann es eine Störung im Leben der anderen gab, weil dann auch der Kontakt unterbrochen war. Trotz der drei Stunden Zeitunterschied riefen wir einander mehrmals pro Woche an. Nicht immer konnten wir direkt miteinander reden, weil wir gerade in irgendeiner Arbeit steckten, aber dann hinterließen wir Nachrichten auf dem Anrufbeantworter der anderen, und ganz gleich, wann ich nach einem langen Tag heimkam, der Klang von Ninas vertrauter Stimme trug oft dazu bei, daß ich abschalten und die Dinge wieder in den Griff bekommen konnte. Ihre Freuden, ihre Leiden, ihre beruflichen Triumphe - all das wurde dem Tonband anvertraut, genauso wie ich alles auf ihren Anrufbeantworter in L. A. sprach. Wir sammelten beide Kunstpostkarten aus Museen auf der ganzen Welt und schrieben einander fast jeden Abend ein paar Worte auf, um uns gegenseitig auf dem laufenden zu halten - fast fünfzehn Jahre lang, über unsere Examenszeit, juristische Jobs, Liebesgeschichten, Mutterschaft und nun über einen Kriminalfall.
    »Kannst du reden? Oder steckst du mitten in was drin?«
    »Machst du Witze? Es schüttet den ganzen Tag. Ich kann zum erstenmal zu Hause bleiben und mich entspannen - ich versuche gerade, alles wieder auf die Reihe zu bekommen. Wie steht’s mit
dir? Wie geht’s Jerry und Gabe?« Gabriel war ihr zweijähriger Sohn, mein Patenkind.
    »Großartig. Sie sind in Malibu am Strand. Was hältst du denn von der Beerdigung?«
    »In welcher Hinsicht, Nina? Das Ganze hörte sich nicht danach an, als ob dort Nachrufe auf die Frau gehalten worden wären, die wir gekannt haben.«
    »Ich erzähl’ dir mal, was für ein Schwachsinn hier drüben abging. Hast du dich jemals für eine Beerdigung angezogen, ich meine, hast du dir je Gedanken gemacht, welche Designermode du bei dieser Gelegenheit tragen würdest? Die Mädels in der ersten Reihe sind geradezu übereinander gestolpert wegen der Fotografen - Armani-Schwarz contra Ungaro-Schwarz contra Bob-Mackie-Schwarz... für

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