Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)
könnten, aber ohne Strom gibt es auch nicht viel Belüftung.«
»Am Ende werden wir ersticken.«
»Wenn wir nicht im Schlaf sterben, räuchern wir uns selbst aus, und dann verspeisen uns die Viecher zum Brunch.«
Jenna drückte die Schultern durch. »Dann lass uns die Dichtung holen.«
Je schneller sie das taten, desto eher konnte alles wieder normal werden, so normal, wie es nun einmal möglich war. Langweilige Mahlzeiten, Anspannung und jeden Tag die Frage, ob es der letzte sein würde. Typische Weltuntergangsstimmung eben.
Sie gingen den Flur entlang. Chris öffnete die Tür der Abstellkammer, und Jenna richtete den Strahl der Taschenlampe hinein, um sicherzugehen, dass nichts in den Schatten lauerte. Man konnte nicht vorsichtig genug sein. Sie ging zuerst hinein. Dann fand Chris eine batteriebetriebene Lampe. Er schaltete sie ein und nickte angesichts des bläulich weißen Lichts.
»Nicht mehr viel Saft übrig«, sagte er. »Aber genug für unsere Suche.«
Jenna durchwühlte unordentliche Kistenstapel und hoffte, dass sie das, wonach sie suchte, erkennen würde, wenn sie es fand. Warum zur Hölle hat irgendjemand den Kram hier aufgehoben? Alte Festtagsdekorationen, Glühbirnen, eine kaputte Fahrradpumpe …
Chris murmelte irgendetwas in seinen Bart und warf dann offensichtlich frustriert einen Kasten beiseite.
»Was ist?«, fragte sie.
»Ich würde einen Lagerraum anders organisieren, aber ich war nicht für die Wartungsarbeiten verantwortlich. Ich meine ja nur … Wer könnte hier drinnen schon irgendetwas finden?«
»Da bin ich ja froh, dass es nicht nur mir so geht.«
»Also.« Er räusperte sich. »Wie habt ihr beiden euch kennengelernt? Ihr wirkt wie ein seltsames Paar.«
Überrascht über die persönliche Frage warf Jenna ihm einen Blick zu. In den vier Wochen seit ihrer Ankunft hatte sie herausgefunden, dass Harvard, wie Tru ihn nannte, nicht über Persönliches sprach. Wenn er etwas weder erforschen noch klassifizieren oder sezieren konnte, hatte er kein Interesse daran.
»Wir sind kein Paar. Er hat mich in den Kofferraum meines eigenen Autos gesperrt und mich in den Wald gefahren.« Sie seufzte. »Schön war die Zeit!«
Chris antwortete mit einem schiefen Lächeln. »Ich vermisse sogar meine Promotionszeit, als mein Doktorvater mir ständig auf die Pelle gerückt ist, bloß ja alles zu dokumentieren. Aber als ich dann Feldforschungen betrieben und Raubkatzen beobachtet habe, war ich ganz davon gefangen genommen, sie mir anzusehen. Ich habe sie tagelang verfolgt und überhaupt keine Notizen gemacht.« Er kratzte sich unter seiner John-Lennon-Brille und lächelte. »Komisch, was man so vermisst, nicht wahr?«
Da sie eine gewisse Verbundenheit mit ihm verspürte, wagte sie sich weiter auf persönliches Gebiet vor. »Was ist da zwischen dir und Ange?«
»Nichts. Sie mag einfach nur Tiere und …«
»Und du findest sie hübsch.«
Er klang beinahe wie Mason, als er murmelte: »Such einfach die verdammte Dichtung.«
Leichte Verärgerung ließ sie noch zwei Kisten lang durchhalten. Die Lampe flackerte; bald würden sie nur noch ihre Taschenlampe benutzen können. Jenna arbeitete schneller.
Sie kreischte fast vor Aufregung, als ihre Finger sich um Hartgummi schlossen. »Hier!«
In seiner Hast stolperte Chris über eine Kiste, und sie packte ihn an den Schultern, um ihn aufzufangen. Mit jedem anderen hätte das ein besonderer Moment werden können, aber er war zu konzentriert auf das, was sie in der Hand hielt. Er sah es sich unter der flackernden Campinglampe an und stieß dann einen Fluch aus, der aus seinem Mund ganz falsch klang.
»Die ist zu klein. Wir brauchen eine Fünfzehn-Zentimeter-Dichtung. Wo hast du die hier gefunden?« Jenna deutete auf eine Kiste und sah zu, wie er sie mit hektischen Bewegungen durchwühlte. Am Ende richtete er sich auf. »Jenna … Es tut mir leid.«
»Was sagst du da?«
»Wir sind im Arsch.« Mason schob sich durch die Tür. Wie lange stand er schon dort? »Das meinst du doch, oder? Die Elektrizität lässt sich nicht wieder zum Laufen bringen.«
»Wenn du keine Fünfzehn-Zentimeter-Dichtung aus dem Arsch hervorzaubern kannst …« Chris’ Gesichtsausdruck verriet ein erstaunliches Maß an Ärger und vielleicht sogar Verachtung.
»Das würde ich gern sehen«, sagte Jenna.
Sie wusste, wie Mason es empfinden musste, dass sie für Chris Partei ergriff, aber er ließ es sich nicht anmerken. Vielleicht sah er den Wissenschaftler ein wenig zu lange an,
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