Die letzte Dämmerung: Roman (German Edition)
verwandeln, aber einige unvollendete Reptiliengestalten waren sogar noch fremdartiger. Ihre Gesichter waren in unbeschreiblicher Todesqual erstarrt. Jenna fragte sich, warum die Toten auf der Straße zurückgelassen worden waren. Waren die Menschen geflohen?
Oder vielleicht ist niemand davongekommen. Vielleicht war niemand mehr übrig, der die Toten hätte begraben können.
Mason hatte vielleicht recht. Niemand war auf die Katastrophe vorbereitet gewesen, vor der die Regierung die Augen verschlossen hatte. Die Gesetzgeber und das Militär hatten geglaubt, dass das Chaos sie nicht betreffen würde, wenn sie das Problem im Osten ignorierten. Die Bürger westlich des Mississippi hatten einfach ungestört ihr normales Leben weitergeführt.
Wabaugh führte einem also vor Augen, was für fürchterliche Folgen es hatte, wenn man Isolationspolitik für einen gangbaren Weg hielt.
»Glaubst du, dass irgendjemand überlebt hat?«, fragte sie leise.
Mason zuckte die Schultern. »Ich weiß es nicht. Aber ich gehe ganz bestimmt nicht von Tür zu Tür, um nach Überlebenden zu suchen, wenn es das ist, woran du denkst.«
»Nein«, sagte sie ruhig. »Ich weiß mittlerweile zu viel über das Überleben in dieser Welt, um mir noch mehr Abhängige aufbürden zu wollen.«
Sie stapften mit schleppenden Schritten durch die Stadt. In jeder anderen Situation hätte der Spaziergang friedlich, beinahe idyllisch sein können. Jungfräulicher Schnee fiel sanft auf die altmodischen Ziegelbauten. Wabaugh war die Art von Stadt, in der die Menschen die Nadelbäume in den Vorgärten schmückten, füreinander Lichterketten aufhängten und mit dampfenden Glühweinbechern in der Hand Weihnachtslieder sangen. Nicht dieses Jahr, und auch in Zukunft nie mehr.
Zum Glück war es keine große Stadt. Sie schleppten sich durch die Innenstadt zu einem brandneuen Gewerbegebiet am nördlichen Stadtrand, das von einem großen Baumarkt dominiert wurde. Zu beiden Seiten gab es kleinere Geschäfte: ein Friseursalon, eine Drogerie, ein chinesisches Fast-Food-Restaurant, ein Schuhladen und eine Reinigung. Auf dem Parkplatz duckten sich verschneite Autos wie übergroße Grabsteine.
»Wir haben es geschafft«, hauchte Jenna.
Mason drückte ihr die Hand, während ein seltsames kleines Lächeln um seine Lippen spielte. »Das haben wir. Gehen wir hinein, um uns aufzuwärmen.«
Obwohl Jenna hätte schwören können, dass sie nach dem Entsetzen und Schrecken der letzten Stunde keine Energiereserven mehr hatte, rannte sie los. Diesmal musste Mason sich sehr anstrengen, um mit ihr Schritt zu halten. Eine Doppeltür mit der Aufschrift EINGANG versprach eine sichere Zuflucht und unerhörten Luxus. Sie versetzte den Türen versuchsweise einen Stoß. Sie öffneten sich, was bedeutete, dass das Gebäude die ganze Zeit über nicht abgeschlossen gewesen war. Das verhieß nichts Gutes für das, was sie darin finden würden.
Anspannung ballte sich in ihr zusammen. »Bist du bereit?«
»Ja.« Er entsicherte sein Gewehr. »Wir überzeugen uns erst, dass das Gebäude sicher ist.«
In äußerster Alarmbereitschaft schlichen sie durch den Baumarkt und fanden noch ein paar Leichen. Einige der Angestellten schienen einander in einem Anfall von Wahnsinn gegenseitig zerfleischt zu haben. Sie hatten zu verwesen begonnen, aber die frostigen Temperaturen milderten den Gestank. Mason häufte sie grimmig auf Planen, rollte sie ein, verschnürte sie mit einem Seil und stieß sie zur Hintertür hinaus. Dann machten er und Jenna die Runde und verschlossen alle Türen.
»Lass uns nach der Dichtung suchen«, sagte er am Ende.
»Jetzt gleich?« Sie verabscheute es, dass ihre Stimme klang, als ob sie jammerte, aber sie war so müde.
»Wenn hier keine ist, müssen wir es woanders versuchen. Ein paar Meilen nördlich von hier liegt noch eine Stadt.« Er hielt inne und blickte sie an. »Ich muss wissen, ob wir unsere Mission erfüllt haben, in Ordnung?«
Jenna nickte und stellte fest, dass seine Motive für sie endlich einen Sinn ergaben. Sie waren auf derselben Wellenlänge. Er war einfach so.
Das Gebäude war dunkel und düster. Als sie endlich den Gang mit dem Klempnerzubehör fanden, durchwühlte Mason die Dichtungen und Rohre. Er fand drei Arten, die infrage zu kommen schienen, und verglich sie dann mit der kaputten Dichtung, die er im Rucksack mitgebracht hatte.
»Gut«, sagte er, als er die passende fand. Die Anspannung wich aus seinen Schultern. »Jetzt denken wir an uns.«
Jenna
Weitere Kostenlose Bücher