Die letzte Delikatesse
Überzeugung, daß ein Mensch genau das braucht, um einen Tag anzupacken, und daß die erbärmlichen Déjeuners von uns Franzosen, geradezu snobistisch und schlapp so ganz ohne Gesalzenes und Wurstwaren, eine Beleidigung für die Ansprüche des Körpers sind. Als ich – schon satt, nachdem ich mir die Wurstplatte bis zur letzten Gabel hatte schmecken lassen – in die Scheibe Brot biß, wurde ich augenblicklich von einem unbeschreiblichen Wohlgefühl erfaßt. Warum versteift man sich bei uns bloß darauf, das Brot erst nach dem Toasten mit Butter zu bestreichen? Wenn die beiden Elemente gemeinsam dem Liebäugeln des Feuers ausgesetzt werden, dann darum, weil sie durch die innige Nähe in diesem Brennen zu einer einzigartigen Verbundenheit gelangen. So ist die Butter, die etwas von ihrer cremigen Konsistenz verloren hat, denn auch nicht flüssig, wie sie es wäre, wenn sie allein im Wasserbad in einer Pfanne geschmolzen würde. Entsprechend verliert der Toast etwas von seiner ein wenig tristen Trockenheit und wird zu einer feuchten, warmen Substanz, die, weder Schwamm noch Brot, sondern etwas dazwischen, den Gaumen mit ihrem ganzen gesammelten Schmelz ergötzt.
Es ist schrecklich, ich spüre, daß ich ganz nahe bin. Das Brot, die Brioche … mir scheint, ich habe endlich den richtigen Weg eingeschlagen, den Weg, der zu meiner Wahrheit führt. Oder ist es nur ein weiterer Irrweg, eine falsche Fährte, die mich in die verkehrte Richtung lenkt und mich nur überzeugt, damit ich danach um so leichter enttäuscht und in meinem Scheitern sarkastisch verhöhnt werden kann? Ich probiere andere Alternativen. Poker.
Rick
Rue de Crenelle, Zimmer
Sich räkeln mit vollem Magen, aaah, dieses Wooohlbehagen … ha ha … Welch katzenhafter Stil!
Ich heiße Rick. Mein Meister hat einen gewissen Hang, seinen Haustieren Namen aus der Filmwelt zu geben, doch ich stelle gleich klar, daß ich sein Günstling bin. Ja, genau. Katzen hat es hier gegeben, eine nach der anderen, einige leider nicht sehr robust, schnell dahingegangen, andere Opfer von tragischen Unfällen (wie damals, als die Dachrinne repariert werden mußte, weil sie unter dem Gewicht eines sehr sympathischen weißen Kätzchens namens Scarlett nachgegeben hatte), wieder andere mit einer gewissen Langlebigkeit, doch jetzt bleibe nur noch ich übrig, ich, der ich mich mit meinen neunzehn Katerjahren auf den Orientteppichen der Wohnung räkle, ich, der Liebling, ich, das alter ego des Meisters, der Einzige, der Einzigartige, derjenige, dem er seine Denkerliebe erklärt hat, eines schönen Tages, als ich mich auf seiner letzten Kritik ausstreckte, auf dem Arbeitstisch, unter der großen, warmen Lampe – »Rick«, hat er zu mir gesagt und mir dabei ganz hinten am Rücken wunderbar das Fell durchgeknetet.
»Rick, mein Liebling, oh ja, du bist eine schöne Katze, ja, ja … dir bin ich nicht böse, du kannst sogar dieses Papier zerreißen, ich bin dir nie böse … mein schöner Kater, mit deinem Schürzenjäger-Schnurrbart … mit deinem glatten Fell … mit deinen Adonis-Muskeln … deinen herkulischen Lenden … deinen Augen wie schillernder Opal … ja…mein schöner Kater … mein Einziger …«
Warum Rick? fragen Sie sich. Ich habe mir die Frage oft gestellt, aber da ich keine Worte habe, um sie zu formulieren, ist sie toter Buchstabe geblieben bis zu jenem Dezemberabend vor zehn Jahren, als die kleine rothaarige Dame, die zu meinem Meister zum Tee kam, ihn fragte, woher er meinen Namen habe, wobei sie mir sanft den Hals kraulte (ich mochte sie gern, jene Dame, sie brachte immer einen für eine Frau ganz und gar unüblichen Geruch nach Wild mit herein, während ihre Geschlechtsgenossinnen unvermeidlich mit schweren und berauschenden Parfums besprüht sind, ohne den kleinsten Wildbretduft, der einer echten Katze Glück bedeutet). Er hat geantwortet: »Rick ist bekanntlich eine Figur aus Casablanca; er ist ein Mann, der imstande ist, auf eine Frau zu verzichten, weil ihm seine Freiheit wichtiger ist.« Ich spürte wohl, daß sie sich leicht versteifte. Aber ich wußte auch diese Aura des virilen Verführers zu würdigen, mit der mich mein Meister durch seine dreiste Antwort beehrte.
Natürlich ist heute nicht mehr die Rede davon. Heute wird mein Meister sterben. Ich weiß es, ich habe gehört, wie Chabrot es ihm sagte, und als er dann fort war, hat mich mein Meister auf die Knie genommen, er hat mir in die Augen geschaut (sie mußten wirklich ganz
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