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Die letzte Einheit: Roman (German Edition)

Die letzte Einheit: Roman (German Edition)

Titel: Die letzte Einheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Scalzi
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macht.« Dann redete sie weiter, hauptsächlich über ihre Kindheit, während Sechs sie fütterte und ihr Wasser zu trinken gab und sich dann um ihre anderen körperlichen Bedürfnisse kümmerte. Nach zwanzig Minuten ging Sechs, und Lee verstummte.
    Es war die Akustik des Raums, die sie auf eine Idee gebracht hatte. Lee hatte jahrelang als Musikerin auf der Bühne und im Studio gearbeitet, und ein Teil ihres Jobs hatte darin bestanden, sich zu vergewissern, dass der Raum, in dem sie spielen sollte, ihrem Instrument oder ihrer Band nicht in die Quere kam. Oft genug hatte sie in Kellern mit Stein- oder Betonwänden gespielt, um zu wissen, wie sehr die Musik durch den Raumhall beeinträchtigt wurde und welches Material welche akustischen Eigenschaften hatte. Sie konnte die Augen schließen, einen Ton anschlagen und recht genau sagen, wie groß der Raum war, in dem sie sich befand, woraus die Wände bestanden und ob es weitere Objekte gab, an denen sich der Ton brach. Doch leider war sie darin nicht so gut, dass sie auf diese Weise einen genauen Grundriss des Raums zeichnen konnte.
    Aber ihr BrainPal konnte es.
    Lee hatte zweieinhalb Stunden lang gesprochen, fast unablässig, und dabei ständig den Kopf bewegt, wobei sie das Risiko eingegangen war, sich durch den Riemen eine Abschürfung zuzuziehen. Und während sie sprach, sammelte der BrainPal die Daten ihrer Stimme (und der von Zwei) und entwarf auf dieser Grundlage ein Bild des Raums. Er analysierte die Flächen, die Schall reflektierten, maß die Verzögerung zwischen den Ohren, um die Fläche räumlich zu lokalisieren, und addierte alle einzelnen Datensätze, um ein vollständiges Audioporträt des Raums zu erstellen, mitsamt Sechs und allen Dingen, die sich in Hörweite befanden.
    Dadurch hatte Lee Folgendes herausgefunden:
    Erstens: Zwei war ein PDA (oder genauer gesagt, er sprach zu ihr über einen), der auf einem Tisch lag, der anderthalb Meter entfernt direkt vor ihr stand. Es war derselbe Tisch, auf dem Sechs die Flaschen abstellte, mit denen Lee Suppe und Wasser eingeflößt wurde.
    Zweitens: Sechs war eine Frau, etwa einen Meter fünfundsechzig groß und ungefähr fünfundfünfzig Kilo schwer. Wenn Lee ihr genau ins Gesicht sprach, erhielt sie ein recht gutes »Bild« von Sechs. Sie schätzte, dass Sechs zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt war – vorausgesetzt, sie hatte nie in der KVA gedient.
    Drittens: Neben dem Stuhl gab es einen weiteren Tisch, weniger als einen Meter entfernt, auf dem ein Gewehr und verschiedene chirurgische Instrumente lagen. Was für Lee bestätigte, dass Zwei sie belogen hatte, als er vom Verzicht auf Folterung erzählt hatte. Und dass sie diesen Raum mit großer Wahrscheinlichkeit nicht lebend verlassen würde – genauso wenig wie Hughes.
    Lee vermutete, dass Sechs irgendwann zurückkehren und Zwei zu seinem Bedauern erklären würde, dass sie ihre Antworten noch einmal durchgehen mussten, diesmal mit dem zusätzlichen Ansporn in Form von Schmerz. Am Ende würde man ihr das Gewehr an den Kopf halten, während Zwei und seine Freunde über die Widersprüche in den Geschichten diskutierten, die sie von Lee und Hughes gehört hatten. Was bedeutete, dass Lee eine unbestimmbare, aber eher kurze Zeitspanne zur Verfügung stand, um sich vom Stuhl zu befreien, Hughes zu retten und von hier zu verschwinden.
    Aber sie hatte keine Ahnung, wie sie das anstellen sollte.
    »Na los«, sagte sie zu sich selbst und schlug mit dem Hinterkopf so fest gegen die Kopfstütze, wie sie es mit dem Riemen um den Hals konnte. Es war nicht viel, aber es genügte, um ihre Kiefer zusammenschlagen zu lassen, wobei ein Schneidezahn in den Rand ihrer Zunge getrieben wurde. Sie spürte einen kurzen, stechenden Schmerz und dann den seltsamen, ganz und gar nicht metallischen Geschmack von SmartBlood, das aus der Wunde sickerte.
    Lee verzog das Gesicht. Sie würde sich nie an den Geschmack von SmartBlood gewöhnen. Mit diesem Zeug ersetzte die KVA das menschliche Blut ihrer Soldaten, weil es über besondere Eigenschaften verfügte. Die nanobiotischen Maschinen konnten erheblich mehr Sauerstoff speichern als rote Blutzellen. Das bedeutete, dass ein KVA -Soldat wesentlich länger als ein normaler Mensch überleben konnte, wenn er die Luft anhielt. Und es bedeutete auch, dass SmartBlood so stark mit Sauerstoff angereichert werden konnte, dass ein beliebter Partytrick von KVA -Soldaten darauf hinauslief, die Nanobots über ihren BrainPal darauf zu programmieren,

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