Die letzte Eskorte: Roman
angewiesen bin, Mr Hawthorne.«
Der Leutnant grinste. »Sie sollten vielleicht wissen, dass es in der Messe zu lockeren Wetten gekommen ist, was Ihre Audienz bei Lord Hood betrifft, Sir. Einige glauben, dass der Admiral Sie zum Vollkapitän ernennen wird, Kapitän.«
»Ich hoffe doch sehr, dass ich mich gerade bei dem Wort Wette verhört habe, Mr Hawthorne.«
»Ich meinte dies nur im übertragenen Sinne, Sir.«
Hayden betrachtete das Ergebnis seiner Bemühungen im Spiegelglas. Das Halstuch saß nicht perfekt, aber es würde reichen. Tatsächlich war Hayden im Augenblick sehr aufgeregt und versuchte, die Dinge nicht zu überstürzt anzugehen. Denn Hawthorne hatte recht: Die bevorstehende Unterredung mit Lord Hood könnte sich als entscheidend für Haydens Karriere erweisen.
»Ich fürchte, mit so hohen Erwartungen darf ich nicht in dieses Gespräch gehen«, antwortete Hayden. »Die Franzosen haben sich nach Bastia zurückgezogen, und ich vermute, dass wir genau dorthin segeln werden. Wahrscheinlich müssen noch mehr verdammte Kanonen über Land geschleppt werden.«
»Wenn das der Fall sein sollte und Sie nicht Ihren neuen Posten antreten, Sir, dann werde ich – im übertragenen Sinne – fünf Pfund verlieren.«
»Nun, ich für meinen Teil würde kein Geld in dieser Angelegenheit einsetzen. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, warum das jemand tun sollte. Selbst wenn Lord Hood mich befördern würde, könnte sich die Admiralität diesem Beschluss noch verweigern.« Er zog seinen besten Mantel an und fragte sich in diesem Moment, wer wohl nicht auf ihn gesetzt haben mochte.
Nun wandte er sich von dem kleinen Spiegel ab und präsentierte sich seinem Freund. »Bin ich vorzeigbar?«
»Perfekt.«
»Dann muss ich mich jetzt entschuldigen, Mr Hawthorne. Lord Hood erwartet mich.«
Der Leutnant hielt ihm die Tür auf und sagte, als Hayden hinausging: »Viel Glück, Kapitän Hayden.«
Ein offenbar sehr beschäftigter Sekretär brachte Hayden zur Kajüte des Admirals, in der sich im Augenblick nicht nur Lord Hood selbst, sondern auch Kapitän Winter aufhielt. Letzterer schien von Haydens Auftauchen überrascht zu sein.
Hood schaute auf, sein langes Gesicht sah blass aus, seine Miene war ernst.
»Ah, Kapitän Hayden. Kapitän Winter und ich versuchen gerade nachzuvollziehen, was in jener Nacht geschah, als die Minerve erobert wurde. Kapitän Winter hat seinen Ersten Offizier verloren und musste bei dem misslungenen Versuch, die Fortunée zu entern, viele Tote und Verwundete hinnehmen.«
»Ich weiß sehr wohl, was sich zugetragen hat«, sagte Winter entrüstet und wies mit scharfer Geste in Haydens Richtung. »Dieser Mann dort sollte den ersten Angriff führen, und zwar auf die Minerve , aber er zauderte, und deshalb sah sich Leutnant Barker gezwungen, den eigenen Angriff voranzutreiben. Doch Barker wurde entdeckt, worauf die Franzosen mehrere Salven mit Traubengeschossen in seine Boote feuerten. Dabei kamen mehr Männer ums Leben, als ich zu zählen vermag.«
Lord Hood schien sich von Winters Entrüstung nicht anstecken zu lassen, was Hayden mit Erleichterung registrierte. Ruhig und besonnen wandte sich der Admiral Hayden zu. »Teilen Sie diese Auffassung, Kapitän?«
»Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was sich an Bord von Leutnant Barkers Booten zutrug, Sir. Vereinbart war, dass meine Crew in die Bucht rudert und sich der Minerve an Backbord dem Quarterdeck nähert. Genau das taten wir bei aller gebotener Vorsicht, denn wir hofften, uns unbemerkt der Fregatte nähern zu können. Zu diesem Zweck hatten wir unsere Boote schwarz gestrichen und unsere Gesichter geschwärzt.«
Winter entwich ein verzweifeltes Seufzen, das Hayden geflissentlich überhörte.
»Als wir gerade am Heck der Minerve waren, hörten wir Musketenfeuer, dann auch Kanonendonner von der Fortuné e . Ich hörte die Franzosen rufen, die Engländer greifen an. Daraufhin enterten wir die Fregatte ohne zu zögern und eroberten sie in einem blutigen Gefecht, Sir. Unsere Verluste waren ebenfalls hoch, das versichere ich Ihnen.«
»Sie haben also nicht gezögert oder den Angriff aufgeschoben?«, erkundigte sich Lord Hood freundlich.
»Nicht einen Augenblick, Sir. Leutnant Barker und ich hatten uns geeinigt, dass er sich mit seiner Crew so lange vor der Bucht aufhalten sollte, bis er Kampflärm von Bord der Minerve hörte.« Hayden versuchte, sich an alle Einzelheiten jener Nacht zu erinnern, aber die Abläufe standen ihm nicht mehr klar vor Augen.
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