Die letzte Eskorte: Roman
Hayden«, erwiderte Jones. »Kapitän Pool und Kapitän Bradley hoffen auf eine Gelegenheit, eine Prise zu erbeuten!«
Hayden lächelte. »Ich bin davon überzeugt, dass dies ein Scherz war.«
Sein Gegenüber wirkte ein wenig beleidigt. »Aber die Herren waren keineswegs zu Scherzen aufgelegt. Beide haben in diesem Jahr einige Prisen genommen – zugegeben, stets kleinere Schiffe –, aber nun erhoffen sie sich größere Beute. Ich bin davon überzeugt, dass sie es genau so meinten.«
Hayden stieg über das Fallreep in sein Beiboot und fragte sich, mit was für Leuten er es diesmal zu tun hatte. Der Commodore hielt ihn für einen Feigling, und zwar nur deshalb, weil er zeitweilig unter Hart gedient hatte. Und die Herren Pool und Bradley schienen zu glauben, sich auf einer Kreuzfahrt entspannen zu können.
»Er hat Sie mit Landry verwechselt«, meinte Hawthorne, als Hayden von der Unterredung mit Pool erzählte.
»Mag sein, aber ich fürchte, die meisten Leute in der Navy haben nur Harts Version unserer Fahrt gehört und keine verlässliche Quelle gehabt.«
Es klopfte an die Tür der Kajüte, und als Hayden »Herein!« rief, kam Archers Kopf zum Vorschein.
»Fertig zum Ankerlichten, Sir.«
»Ich bin gleich auf Deck«, erwiderte Hayden. Er nahm einen Hut von dem schönen Tisch, verließ die Kajüte, ging die Treppe nach oben und warf nur kurz einen Blick ins Batteriedeck, um sicherzugehen, dass auch alle Männer auf ihren Positionen waren.
»Eine Wohltat, wenn ich sehe, dass die Männer bereit sind, ihrer Pflicht nachzukommen«, meinte Hawthorne, als sie über die Leiter an Deck stiegen.
»Das dachte ich auch gerade.« Unweigerlich wurde Hayden an jenen Tag in Plymouth erinnert, als sich die Hälfte der Crew beinahe geweigert hätte, in See zu stechen. Wie viele Menschen würden heute noch leben, wenn die Widerspenstigen Erfolg gehabt hätten? Und wieso hatten sie sich nicht durchsetzen können? Weil Hayden eingeschritten war und die Männer überzeugt hatte, die Segel zu setzen. Dadurch hatte er Hart das Kommando gerettet und jene Dinge in Gang gesetzt, die sich dann ereignet hatten. Die Erfüllung der Pflicht sollte nicht so voller Vieldeutigkeiten stecken.
Hayden verschaffte sich rasch einen Überblick über den Konvoi, eine Ansammlung von Schiffen jeder Größe und Form. Sie lagen in keiner bestimmten Anordnung vor Anker, wurden alle von einer leichten nordöstlichen Brise erfasst, wie Pferde, die gegen die Zügel aufbegehren. Signale flatterten hoch oben im Mast des Flaggschiffs und hoben sich vom matten Grau des Himmels ab.
»Wir haben Erlaubnis, den Anker zu lichten und in See zu stechen.« Hayden wandte sich Saint-Denis zu. »Bringen Sie uns raus, Leutnant.«
Saint-Denis tippte an seinen Hut und hatte sein charmantestes Lächeln aufgesetzt – ein Lächeln, das Hayden inzwischen verabscheute. »Eine exzellente Gelegenheit für Archer, seine Pflicht zu erfüllen, Kapitän. Aber ich werde ihm über die Schulter schauen und dafür sorgen, dass alles reibungslos läuft. Sie brauchen sich keinen Augenblick Sorgen zu machen wegen Archers Unerfahrenheit.«
Ehe Hayden darauf etwas erwidern konnte, war Saint-Denis schon unterwegs und rief nach Archer.
Hawthorne, der nur wenige Schritte entfernt stand, schaute zu Hayden hinüber und hob leicht die Augenbrauen. Zorn wallte in Haydens Brust hoch.
In diesem Moment näherte sich ein kleines Boot unter Segeln. »Ahoi, Themis «, rief der Bootsführer. »Post.«
Auf der Heckducht neben dem Bootsführer saß Griffiths’ Assistent Ariss und balancierte einige Päckchen auf dem Schoß. Die Post gelangte mit dem Assistenten über die Reling an Bord.
»Würden Sie das bitte öffnen, Mr Hawthorne?«, fragte Hayden. »Saint-Denis’ Abberufung könnte darin sein.«
»So Gott will«, murmelte der Leutnant der Seesoldaten. Hawthorne öffnete den Beutel und ging rasch die Briefe und größeren Sendungen durch. »Hier ist ein Brief für ihn – dann noch einer.«
Der Erste Leutnant war auf der Gangway stehen geblieben und schaute herüber zum Quarterdeck, denn das Postschiff hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Als Hayden ihn heranwinkte, eilte Saint-Denis schnell herbei.
»Briefe für Sie, Leutnant.«
Mit einem kaum merklichen Nicken nahm Saint-Denis die Post von Hawthorne entgegen und entfernte sich ein paar Schritte, um den ersten Brief ungestört aufreißen zu können. Blinzelnd überflog er die Zeilen auf dem cremefarbenen Schriftstück, kehrte Hayden den
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