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Die letzte Eskorte: Roman

Die letzte Eskorte: Roman

Titel: Die letzte Eskorte: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Thomas Russell
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Gefühlen umgab Haydens Geist. Stimmen waren zu hören. Was hatten sie ihm zu sagen?
    Schließlich nahm er wahr, dass sein steifer Körper über eine harte Kante gehievt wurde und dann auf einem unnachgiebigen Untergrund lag. Das Stimmengewirr hielt an, Worte wogten vor und zurück, aus unermesslichen Tiefen, bis schließlich jemand sagte: »Lebt er noch? Mr Wickham! Ist er noch am Leben?«
    Als er auftauchte, umgab ihn Wärme. Ein leichtes Gewicht drückte ihn nach unten – wie eine Decke aus warmem Schnee. Einen Moment lang lag Hayden reglos da und war sich nicht sicher, ob er die Augen aufschlagen sollte. Doch er tat es. Ein rötliches Glimmen beleuchtete eine kreisrunde Fläche, in der eine Gestalt keine zwei Yards entfernt auf einem Schemel hockte.
    »Wickham?«, hörte Hayden seine eigene Stimme, die furchtbar rau und ausgetrocknet klang.
    In die Gestalt kam Leben. »Kapitän Hayden!« Sofort sprang der junge Mann auf. »Als Sie nicht mehr zitterten, da dachten wir, dass Sie sich entweder erholt hatten oder ...« Er zog es vor, den Gedanken nicht weiter auszuführen.
    »Was, um alles in der Welt, befindet sich in meiner Koje?«, fragte Hayden matt und war kaum in der Lage, sich unter dem Gewicht zu bewegen. »Und wieso bin ich an meine Matratze gefesselt?«
    »Wir haben fast jede Decke geholt, die unsere Offiziere in der Messe auftreiben konnten, Sir. Und Jefferies hat Neunpfünderkugeln im Ofen erhitzt und sie Ihnen in die Koje gelegt – das war übrigens Mr Goulds Idee. Mr Barthe und Mr Franks haben dann wegen des Gewichts die Koje zusätzlich mit Seilen am Decksbalken gesichert. Und als die Kugeln auskühlten, haben wir schnell neue aus dem Ofen geholt. Und jetzt sind Sie wach, Sir! Sie leben!«
    Hayden glaubte, Tränen in den Augen des jungen Mannes zu sehen.
    In seinem Kopf drehte sich alles. Sein Geist war wie ein Kaleidoskop aus zusammenhanglosen Erinnerungen. »Es waren noch andere bei mir ...«
    »Sie meinen von der Syren , Sir? Wir konnten alle retten, die es in die Boote geschafft hatten, und zwei Mann, die in Ihrer Nähe trieben, Kapitän. Auch den Jungen, der auf der Rah hockte. Alle Schiffbrüchigen haben wir getrennt von unserer Crew untergebracht, damit niemand der Influenza ausgesetzt ist. Als es hier zu voll wurde, brachten wir die Übrigen auf andere Schiffe des Konvois.«
    »Was ist – mit Cole?«
    Wickhams Antwort kam gedämpft. »Wir konnten ihn nirgends finden, Sir.«
    »Und die Franzosen?«
    »Wir haben sie seit dem Untergang ihres Vierundsiebzigers nicht mehr zu Gesicht bekommen.«
    »Wie lange – habe ich geschlafen?«
    »Ich weiß nicht, ob Sie wirklich geschlafen haben, Kapitän. Sie haben oft im Halbschlaf gesprochen und unzusammenhängende Dinge von sich gegeben. Ab und zu haben Sie die Augen weit aufgerissen. Sie waren in einer Art Delirium, nur dass Sie kein Fieber hatten. Das Gegenteil war der Fall, denn Sie hatten kaum noch ein Fünkchen Wärme in Ihrem Körper.«
    »Wie lange liege ich hier schon?«
    »Fast einen Tag, Kapitän.« Wickhams Miene hellte sich auf. »Ich werde gleich Mr Hawthorne und Mr Barthe Bescheid sagen, dass Sie wach sind, Sir. Die beiden machen sich schreckliche Sorgen um Sie und haben während der letzten Stunden immer nach Ihnen gesehen.«
    »Was ist mit den Kranken? Mit Griffiths?«
    Wickham wendete den Blick von Haydens Gesicht und schüttelte kaum merklich den Kopf. »Wir haben noch mehr Männer verloren, Sir. Der Doktor ist noch unter uns – aber er ist sehr krank.«
    Einen Moment lang herrschte Schweigen in der Kajüte.
    »Ich werde Mr Hawthorne mitteilen, dass Sie überlebt haben, Kapitän. Wenn Sie mich dann entschuldigen würden.«
    Bevor Wickham die Tür erreichte, war Hayden bereits in einen Traum gesunken – in die wärmende Umarmung einer Frau.
    Die Erschöpfung ließ nicht von ihm ab. Hayden merkte, dass er sich noch nicht lange auf den Beinen halten konnte und sehr viel Schlaf brauchte, auch wenn er die Schwingkoje nur kurz verlassen hatte. Weiterhin hielt er sich an die Schonkost, die Ariss ihm verschrieben hatte – und tatsächlich kam er wieder zu Kräften, wenn auch nur langsam.
    Es war keine Frage, dass Archer und Barthe in der Lage waren, das Kommando über die Themis zu führen, aber ein ganzer Konvoi war auf Befehle angewiesen, die nur ein entschlusskräftiger Kommandant erteilen konnte. Daher durfte Hayden keinen Moment seinen Dienst vernachlässigen, wenn er die Schiffe sicher in den Hafen vor Gibraltar bringen wollte.
    Aus

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